Post aus Japan: Ceatec mit Kehrtwende?

Japans Elektronikmesse hat ihren Ruf als Mekka der Gadgetgeeks schon lange verloren. Nun versuchen die Organisatoren den Neuanfang – nur wird nicht so recht klar, was die Messe nun eigentlich ist.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling
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Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus – und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends.

Eines muss man Japans Elektronikkonzernen lassen. Sie verfügen über ein außerordentliches Pflichtgefühl. Anders ist es kaum zu erklären, dass sie Japans Elektronikmesse, der Ceatec (4. bis 7. Oktober in Tokio), ein weiteres Jahr die Treue gehalten haben. Außer dem Unterhaltungsprofi Sony, der sich schon vor Jahren von Japans einstigem Mekka der Technikfreaks verabschiedet hat, sind sie auch diese Woche wieder dabei. Vielleicht war ein Grund, dass die drei Co-Organisatoren der Ceatec ihrer Messe nach Jahren des Niedergangs eine Radikalkur verschrieben haben.

"Wir haben das Konzept um 180-Grad gewendet", erklärt Hisato Nagao, ein Direktor des Verbands der japanischen Elektronikindustrie Jeita vor dem Auftakt der Messe. Man will nicht mehr "Cutting-Edge"-Messe oder gar Messe der Unterhaltungselektronik wie zum Beginn der Ceatec im Jahr 2000 sein. Vielmehr soll die Veranstaltung nun ein Schaufenster für futuristische Konzepte und Geschäftsmodelle im Bereich von "Cyper Physical Systems" (CPS) und dem "Internet of Things" (IoT) werden.

Kurz: Die Messe soll zusammenführen, was bisher meist getrennt ausgestellt wurde. Technikkonzerne im Bereich mit Start-up-Firmen in allen Lebenslagen, Produkte und Software, vor allem künstliche Intelligenz. So gibt es vier Bereiche: die Gesellschaftszone sowie die Zonen für die smarte Stadt und das vernetzte Heim sowie CPS/IoT inklusive Software.

Notwendig ist der Kurswechsel auf jeden Fall. Nicht nur schrumpfte die Messe sich in den vergangenen Jahren ihrer Bedeutungslosigkeit entgegen. Außerdem haben Japans Elektronikhersteller lange den Glauben an das Geschäft mit den Endkunden verloren. Denn so innovativ sie in vielen Bereichen noch immer sind, gaben sie in der Unterhaltungselektronik sowie bei Smartphones nicht mehr den Ton an.

Viele Unternehmen versuchen daher, ihre Geschäfte mit Unternehmenskunden und mit Systemlösungen zu stärken. Und so ist es durchaus verständlich, dass die Ceatec zu einer Meta-Messe mit geistigem Vordenkeranspruch werden soll. Das Problem: In der Praxis funktioniert die Logik nicht wirklich.

Gewiss: Die Veranstalter reklamieren eine Kehrtwende. Die Zahl der Aussteller sei um 25 Prozent auf über 600 Firmen und Organisatoren gestiegen, lobt sich Nagao. Über 100 Reden und Veranstaltungen umranken die Messe zudem. Auch dies ist mehr als in den vergangenen Jahren. Und die ausstellenden Unternehmen lassen zumindest durchblicken, dass sie innovativ sind – vor allem im Bereich künstliche Intelligenz.

Fujitsu hat ein System entwickelt, das den Auto- und Personenverkehr in Städten erfassen und Städteplanern unterstützen soll. Auch beim Marketing soll es helfen. Toyota stellt seinem winzigen Mini-Roboter Kirobo einen großen Stand zur Verfügung, um die Japaner auf den vorweihnachtlichen Verkaufsstart des PlapperBots auf dem Armaturenbrett vorzubereiten.

Aber erstens werden an vielen Ständen der großen japanischen Konzerne eher Konzepte als Produkte vorgestellt. Honda beispielsweise hat ein Mini-Elektroauto vorgestellt, dessen Karosserie nach Kundenwunsch von 3D-Druckern hergestellt wird. Man wolle dieses Geschäftsmodell testen, sagte ein Ingenieur. Doch wenn man hört, dass allein der Druck der Karosserie in diesem Fall zwei Wochen gedauert hat, wirkt die Idee doch noch wie recht ferne Zukunftsmusik.

Zweitens gibt es kaum Dinge, die wirklich neu wären. Drittens ist die Aufstellung der Messe nun so breit, dass die einzelnen Bereiche keinen Überblick über die großen Trends von morgen im Heim oder der smarten Stadt erlauben. Stattdessen fühlt man sich, als ob man hier und da in verschiedene Bereiche hineinspicken kann.

Und viertens fehlen trotz der Breite gerade die Bereiche, in denen wir Menschen künftig am meisten mit der wunderbaren neuen Welt in Berührung kommen werden: Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, mobile Geräte und vor allem Virtuelle Realität. Auch wenn ich immer noch interessante Dinge fand, empfinde die Messe daher als unrund und unbefriedigend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Konzept aufgehen wird. Mein Fazit: Es reicht nicht, den Kurs um 180 Grad zu korrigieren, wenn man danach immer noch in eine falsche Richtung fährt. ()