Mobile Payment: Alles Wissenswerte zum mobilen Bezahlen mit dem Smartphone

Wussten Sie, dass man in Deutschland schon in den meisten Supermärkten mit dem Smartphone bezahlen kann? Payment-Apps wie Boon machen es möglich.

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Mobile Payment: Alles Wissenswerte zum Bezahlen mit dem Smartphone
Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen
Inhaltsverzeichnis

Portemonnaie zuhause vergessen? Bezahlen Sie doch einfach mit dem Smartphone! Entgegen landläufiger Meinung geht das bereits heute in etlichen Geschäften. Wir erklären, was Sie wissen müssen.

An diesem Logo erkennt man, ob man mit NFC-Wallet-Apps wie Apple Pay, Android Pay und Boon bezahlen kann.

Überall dort, wo man mit Karte zahlen kann, lässt sich oft auch mit dem Smartphone bezahlen. Möglich machen es Kartenterminals mit sogenannter Kontaktlos-Technik – die unterstützen nicht nur Kreditkarten- und Debitkarten mit Kontaktlos-Funktion, sondern auch Smartphone-Apps wie Apple Pay oder Boon.

Mit der Android-App Boon kann man in den meisten Supermärkten bezahlen.

Wer schnell mit einem Android-Smartphone bezahlen will, kommt zurzeit wohl am schnellsten mit der Prepaid-App Boon ans Ziel. Die Software des Unternehmens Wirecard lässt sich innerhalb von Minuten aktivieren und läuft mit den meisten Geräten ab Android 4.4. Außerdem wird ein NFC-Chip benötigt. Eine Liste mit kompatiblen Smartphones gibt es hier. Obacht: Boon ist nur drei Monate lang gratis, danach kostet es 99 Cent pro Monat.

Außerdem muss man für das Aufladen mit Kreditkarte Gebühren bezahlen (1% / mindestens 1 Euro). Das Aufladen per Überweisung ist gratis, dauert aber ein paar Tage.

Konkret funktioniert der Bezahlvorgang so: An der Kasse sagen, dass man kontaktlos bezahlen möchte, Boon starten, Geheimzahl eingeben, Smartphone ans Bezahlterminal halten – fertig. Ein Tipp auf "Transaktionen" zeigt die Bezahl-Historie.

Boon ist eine sogenannte "NFC-Wallet", also eine App, die Kontaktlos-Karten emuliert. Der Vorteil: Sie funktionieren im Prinzip bei allen Händlern, die Kontaktlos-Zahlungen mit Mastercard- und Visa-Karten akzeptieren. Für den Kunden ist das an dem ans WLAN-Symbol erinnernde Kontaktlos-Wellenlogo erkennbar (siehe oben). In unseren Tests konnten wir mit Boon zum Beispiel bei Aldi, Lidl, Rewe und Rossmann bezahlen. Ganz stabil lief die App nicht, sie verweigerte im c't-Test zeitweise den Start.

Andere NFC-Wallet-Apps sind zurzeit noch rar gesät: O2 und T-Mobile haben ihre Wallets eingestellt, Vodafone hat zwar eine Wallet-App im Programm, mit der kann man zurzeit aber offenbar noch nicht bezahlen. Paypal-Account oder Visa-Kreditkarte soll man "bald" verknüpfen können.

Auch bei den Zahlungssystemen Android Pay und Apple Pay handelt es sich um NFC-Wallets; diese sind hierzulande noch nicht offiziell gestartet (mehr dazu weiter unten).

Legt man das Smartphone mit installierter Zahl-App aufs Zahlungsterminal, sieht dieses nur eine virtuelle Karte – das Terminal weiß also gar nicht, dass es gerade mit einem Smartphone spricht. Die dafür genutzte Chip-Technik basiert auf dem über 20 Jahre alten EMV-Standard, der von American Express, Discover, JCB, MasterCard, UnionPay und Visa entwickelt wurde; EMV steht für Europay International, MasterCard und VISA.

Vodafone Wallet und Apple Pay setzen einen Spezial-Chip mit den Kreditkartendaten ein, das sogenannte Secure Element. Boon und Android Pay arbeiten dagegen mit Android "Host Card Emulation", wobei die Kreditkartendaten aus der Cloud nachgeladen werden. Bei beiden Systemen handelt es sich um sogenannte NFC-Wallets.

Beide Systeme funktionieren übrigens auch, wenn das Smartphone keine Internet-Verbindung hat, also zum Beispiel in einem Geschäft ohne Mobilfunk-Empfang – Secure Element arbeitet generell offline, die uns bekannten HCE-Apps speichern immer einige sogenannte Tokens ab; dabei handelt es sich um Kreditkartendaten zur einmaligen Verwendung: Die echten Kreditkartendaten bekommt das Lesegerät im Geschäft nie zu sehen.

Apple Pay erfordert eine spezielle Konfiguration der Zahl-Terminals.

Obwohl Apple Pay theoretisch kompatibel mit den Kontaktlos-Bezahlterminals in Deutschland ist, können deutsche Kunden das System noch nicht verwenden. Bislang gibt es keine Bank, deren Karten sich mit Apple Pay verknüpfen lässt. Der Grund scheint wie so oft das liebe Geld zu sein: Apple will beim Bezahlen über die App mitverdienen – die Banken jedoch klagen ohnehin schon über die geringen Entgelte (siehe unten).

Übrigens: In der Schweiz ist Apple Pay bereits eingeführt, funktioniert aber auch dort nur mit bestimmten Konten. An vielen deutschen Bezahlterminals macht Apple Pay zurzeit noch Probleme, weil das System eine bestimmte Konfiguration erfordert: Die Terminals müssen die sogenannte CDCVM (Consumer Device Cardholder Verification Method) beherrschen. Bei der CDCVM-Methode übernimmt statt des Terminals das Smartphone die Authentifizierung per Fingerabdruck oder PIN.

Dass man hierzulande auf einmal in so vielen Geschäften mit dem Smartphone bezahlen kann, ist mit der grassierenden Handy-Manie allein nicht zu erklären. Schließlich durfte man vor wenigen Jahren in vielen Supermärkten noch nicht einmal mit EC-Karte bezahlen – Aldi zum Beispiel hat die Kartenzahlung erst 2009 flächendeckend eingeführt. Kreditkartenzahlungen im Supermarkt sind ein noch jüngeres Phänomen.

Der Grund für die neue Kartenliebe des Handels liegt (natürlich) am Geld: Im Dezember vergangenen Jahres hat die EU die Abgaben für Kredit- und andere Bankkarten gedeckelt: Banken dürfen bei Zahlung mit EC-Karten (offiziell Debit-Karten genannt) nur noch ein Entgelt von 0,2 Prozent der Zahlungssumme erheben. Bei Zahlungen mit Mastercard und Visa sind nur noch 0,3 Prozent erlaubt – zuvor waren Abgaben von bis zu 3 Prozent fällig. Das Resultat: Fast überall kann man nun mit (Kontaktlos-)Karte zahlen, und auch die „Kartenzahlung erst ab 20 Euro“-Schilder verschwinden immer häufiger.

Nicht alle Bezahl-Apps sind mit dem Kontaktlos-Standard kompatibel -- es gibt auch proprietäre Varianten, unter anderem von Supermarkt-Ketten.

Die Netto-Bezahl-App funktioniert mit dem gleichen Account wie die Apps von Marktkauf und Edeka.

Diese Alternativen zu NFC-Wallets wie Boon und Apple Pay haben nicht nur den Vorteil, dass sie sowohl unter Android als auch unter iOS laufen, sie bringen häufig auch nette Zusatzfunktionen mit. So speichern die Apps von Edeka, Marktkauf und Netto zum Beispiel digitale Kassenzettel ab.

Alle uns bekannten Supermarkt-Apps arbeiten mit dem Lastschrift-Verfahren. Man muss den Apps also explizit die Abbuchung vom Girokonto erlauben. Das war im Test ziemlich langwierig: Zuerst muss man einen Benutzer-Account anlegen und eine Mail bestätigen. Nachdem die Kontodaten eingegeben wurden, heißt es warten: Und zwar auf die Ein-Cent-Überweisung des Zahlungsdienstleisters (im Fall der genannten drei Apps die Deutsche Post). Bei uns hat es mehrere Wochen gedauert, bis die Überweisung mit der benötigten PIN im Verwendungszweck angekommen ist. Übrigens: Hat man in der App von Edeka, Marktkauf oder Netto einen Account angelegt, kann man diesen auch in den jeweils anderen beiden Apps verwenden.

Konkret funktioniert der Bezahlvorgang mit den Apps von Edeka, Netto und Marktkauf so: Die jeweilige App starten, auf die drei Striche oben links tippen, auf "Bezahlen" tippen und vierstellige PIN eingeben. Auf dem Display erscheint dann ein vierstelliger Code, der fünf Minuten lang gültig ist – sagt man diesen an der Kasse ("Ich möchte per App bezahlen"), wird die fällige Summe vom Konto abgebucht.

Die Payback-App kombiniert virtuelle Payback-Karte und Payback-Pay-Zahlungs-Funktion.

Auch das Datensammlungs-Unternehmen Payback bietet eine Zahl-App an. Das System funktioniert mit iOS und Android, heißt Payback Pay und wird zurzeit von Alnatura, Aral, DM, Galeria Kaufhof, Real und DM unterstützt. Man muss sich hier allerdings darüber im Klaren sein, dass man (auch) mit seinen Daten bezahlt.

Zahlungen werden vom verknüpften Bankkonto abgebucht. Payback Pay arbeitet mit QR-Codes: Will man an der Kasse bezahlen, startet man die Payback-App, tippt auf das "Bezahlen"-Icon und legt das Handy aufs Kassenterminal. Technsich klappt das Ganze mit einem auf dem Display angezeigten QR-Code, den eine Kamera im Terminal erkennt. Im c't-Test funktionierte Payback Pay einwandfrei.

Bitcoin-Wallets wie Pey kann man anonym nutzen.

Wer die Vorteile von Bargeld (anonym!) und Mobile Payment (komfortabel!) kombinieren will, kann Bitcoin-Wallets verwenden. Es gibt allerdings erst wenige Händler, die Bitcoin annehmen. Relativ viele Akzeptanzstellen (über 30) kann das Bitcoin-Zahlsystem Pey für sich verbuchen – allerdings bislang nur in Hannover. Die Pey-App für Android und iOS ist angenehm einfach zu bedienen und unterstützt auch den Kauf von Bitcoin direkt in der App. Um die Kauf-Funktion zu nutzen, benötigt man einen Account – besitzt man bereits Bitcoin, kann man Pey auch komplett anonym verwenden. An Bitcoin kommt man in Hannover unter anderem über einen Geld-Automaten im Co-Working-Space Hafven.

Der Bezahlvorgang funktioniert bei Pey so: An der Kasse sagen, dass man mit Bitcoin bezahlen möchte, danach zeigt das Bezahlterminal einen QR-Code an. Diesen fotografiert man einfach in der Pey-App ab, indem man auf "Senden" tippt und dann auf das QR-Code-Symbol auf der linken Seite. Wird der Bildschirm grün, war der Bezahlvorgang erfolgreich.

Ebenso wie beim Einsatz von EC- oder Kreditkarten muss ein Nutzer von Payment-Funktionen mittels Handy nur für solche Transaktionen geradestehen, die er auch selbst veranlasst hat. Hat sich also ein Dritter des Handys bemächtigt und hiermit Zahlungen getätigt, kann der Kunde grundsätzlich vom Zahlungsdienstleister verlangen, dass dieser die Abbuchungen wieder gutschreibt.

Von diesem Grundsatz gibt es jedoch zwei Ausnahmen: Die erste Ausnahme betrifft den Fall, dass das Zahlungsinstrument (also die Karte oder das mit NFC-Chip ausgestattete Handy) gestohlen wurde oder auf andere Weise abhanden gekommen ist. Hier muss der Nutzer so schnell wie möglich seinen Zahlungsdienstleister über den Verlust informieren -- wenn ein Dritter bis zur Verlustmeldung bereits Zahlungen vorgenommen hat, haftet der Kontoinhaber hierfür bis zu einem Betrag von 150 Euro. Dies gilt unabhängig davon, ob den Karteninhaber beziehungsweise Handybesitzer ein Verschulden trifft oder nicht.

Unbegrenzt haftet er sogar, wenn er seine Sorgfaltspflicht grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich missachtet hat. Zu diesen Sorgfaltspflichten gehört es, das Handy und auch die PIN vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Ferner ist der Nutzer verpflichtet, den Verlust unverzüglich zu melden, nachdem er hiervon Kenntnis erlangt hat.

Dass der Kunde diese Sorgfaltspflicht grob fahrlässig oder vorsätzlich verletzt hat, müsste im Streitfall der Zahlungsdienstleister beweisen. Dies dürfte ihm in der Regel eher schwerfallen, so dass die Haftung des Kunden im Normalfall auf 150 € beschränkt bleibt.

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(Ronny Jahn) /

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