Eine Frage des Geschmacks

Die Anstrengungen, eine Diät zu machen und auf zuckerhaltige Speisen verzichten zu müssen, umgeht eine neue Erfindung. Sie könnte dem Internet außerdem eine geschmackliche Komponente beisteuern.

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Während sich der gestrige World Food Day (#WorldFoodDay) vorrangig mit dem Ziel beschäftigt, die Zahl der hungernden Menschen auf der Welt in den nächsten 15 Jahren auf Null zu reduzieren, setzt Adrian Cheok an der City University of London an einem anderen Punkt an. Er will das, was auf dem Teller ist, schmackhafter machen. "Ich wollte ein Gerät entwickeln, mit dem Kinder Gemüse essen, das nach Schokolade schmeckt", erklärt er in einer Mitteilung der Universität.

Das bisherige Ergebnis seiner Ambition trägt den Namen "Taste Buddy" und besteht aus einer 2 Zentimeter langen Lasche, die mit einem Prozessor verbunden ist. Ist die Lasche an der Zunge platziert, gibt sie thermale und elektrische Signale aus. Darauf reagieren die Geschmacksknospen auf der Zunge und simulieren einen bestimmten Geschmack. Relativ fader Tofu könnte so wie ein saftiges Steak schmecken, Broccoli wie ein Stück Schokolade. Das könnte nicht nur den Speiseplan von Zuckerliebhabern ohne große Mühe auf eine gesündere Variante umstellen, sondern auch ein Weg sein, Geschmack ins Internet zu bringen: "Ich will uns vom Informationszeitalter, in dem wir im Internet über logische Daten kommunizieren, zum Erlebniszeitalter bringen, in dem wir uns durch Daten der Sinne wie Berührung, Geruch und Geschmack, austauschen", erklärt Cheok an anderer Stelle. Geschmack als sinnliche Erfahrung simulieren und zum Beispiel via Facebook mit anderen teilen, so könnte die Idee weitergedacht werden.

Vor einiger Zeit hatte ich bereits über die Erfindung einer Japanerin gebloggt. Auch Hiromi Nakamura will mit ihrer speziellen Gabel einen Salz-Geschmack in Speisen hineinzaubern, die ohne das Gewürz zubereitet wurden. Auch sie erklärt eine gesündere Ernährung ohne Verzicht als ihr Ziel. Die Vision von Cheoks Taste Buddy ist die konsequente Weiterführung. "In meiner Vorstellung sehe ich Kinder, die völlig neue digitale Geschmäcker und Gerüche über ihren Computer kreieren", sagt Cheok.

Cheok skizziert damit eine Zukunft, in der Geschmack eine reproduzierbare Simulation ist. Genuss heruntergebrochen auf ein Muster von Reizen, das im Gehirn stimuliert wird. Mein Kollege Wolfgang Stieler bloggte in der vergangenen Woche über die Forschung an der Simulationshypothese. Die Frage dahinter: Leben wir in einer Simulation, die von einer anderen Entität erzeugt wurde? Auch wenn Taste Buddy bisher nur als Prototyp existiert und sich auch die Variation der Strom-Gabel noch in einem Anfangsstadium befindet – wenn man die Entwicklung weiterspinnt, sind Geräte wie diese der Anfang einer Geschmacks-Matrix: roter Broccoli, der wie Broccoli schmeckt, oder blauer Broccoli, der eine Simulation der Süße von Schokolade ist. Etwas abgefahren, ich weiß. Aber die Entscheidung könnte wahrlich eine Frage des Geschmacks sein. (jle)