Der Wolf im Schafspelz

Wieder einmal ist die Zuckersteuer Thema in den Medien. Diesmal fordert die Weltgesundheitsorganisation eine Abgabe auf Softdrinks und lenkt damit die Aufmerksamkeit auf einen wichtigen Sachverhalt.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Inge Wünnenberg

Die Diskussion um die Zuckersteuer geht in die nächste Runde. Gerade hat die Weltgesundheitsorganisation WHO angeregt, den Preis von Softdrinks durch eine spürbare Steuer um mindestens 20 Prozent anzuheben. Die Experten sind überzeugt, die Maßnahme würde den Konsum von Limonaden reduzieren und damit zu weniger Übergewicht, Diabetes Typ 2 und Karies führen. Mexiko hat dies bereits vorexerziert, wie unter anderem im TR-Blog zu lesen war. In dem südamerikanischen Land erzielte die 2013 verabschiedete zehnprozentige Steuer auf zuckrige Getränke einen Rückgang des Verzehrs um 6 Prozent.

In den USA haben sich inzwischen vereinzelt Städte und in Europa unlängst Großbritannien zur Einführung einer Sondersteuer auf süße Limonaden entschieden. In Deutschland glaubt man auf politischer Ebene allerdings nicht an die Wirkung und den Nutzen einer solchen Preiserhöhung: Im Interview mit der Tageszeitung Nordkurier wies zum Beispiel Bundesernährungsminister Christian Schmidt darauf hin, dass die bis 1993 in Deutschland erhobene Zuckersteuer "nichts gebracht" habe. Der CSU-Politiker will nun stattdessen verstärkt auf Aufklärung sowie weitere Maßnahmen setzen. Denn Schmidt zufolge steckt zu viel Zucker in verarbeiteten Lebensmitteln: "Deshalb arbeiten wir daran, den Anteil von Salz, Zucker und Fett in Fertiglebensmitteln deutlich zu reduzieren", sagt der Minister.

Dieser Ansatz wird aber vielleicht der besonderen Problematik von zuckerhaltigen Getränken nicht gerecht. Wie Francesco Branca, Director des Department of Nutrition for Health and Development bei der WHO, einem Artikel der Wirtschaftswoche zufolge ausführt, ist "die Hungerkontrolle inaktiv, wenn man etwas trinkt". Deshalb konzentrieren sich die Forderungen nach Sondersteuern bisher vor allem auf Softdrinks.

Aufklärung scheint aber dennoch besonders im Zusammenhang mit Ernährung ein wesentlicher Faktor zu sein. Gerade Mythen und Falschinformationen halten sich auf diesem Gebiet jahre-, wenn nicht jahrzehntelang. Erst vor Kurzem wurde in den USA in JAMA International Medicine ein Report veröffentlicht, der zeigt, wie Ende der sechziger Jahre eine Studie von Harvard-Forschern im renommierten The New England Journal of Medicine die Schuld für koronare Herzerkrankungen weg vom Zucker hin zum Fett verschob. Dass ihre Forschung von der Sugar Research Foundation (SRF) mit finanziert und auch inhaltlich beeinflusst wurde, verschwiegen die drei inzwischen verstorbenen Wissenschaftler. Christin Kearns von der University of California in San Francisco belegt in ihrer Untersuchung, dass die Gefahren des Kristallzuckers damals gezielt heruntergespielt wurden, während dem Fett bewusst der Schwarze Peter zugeschoben wurde.

Solche Manipulationen haben also offenbar Tradition. Da verwundert es nicht, dass bis in unsere Gegenwart hinein versucht wird, die öffentliche Meinung zu lenken. Erst im vorigen Jahr wollte Coca-Cola über die Forschungsinitiative Global Energy Balance Network heimlich Einfluss auf die Suche nach den Ursachen von Übergewicht und Fettleibigkeit nehmen. Dabei sollte das Augenmerk bewusst von der Rolle, die Fast Food und zuckerhaltige Getränke spielen, abgelenkt werden. Im Mittelpunkt sollte vielmehr die Bewegung stehen, wie wir im Blog berichteten. Was allerdings bei diesem Ansatz unter den Tisch zu fallen drohte, war die Tatsache, dass sich gegen ein gewisses Maß an Kalorieninput irgendwann nicht mehr anturnen lässt.

Vor diesem Hintergrund sind Forderungen wie jene der WHO nach einer Zuckersteuer gar nicht verkehrt. Denn sie helfen, das Bewusstsein der öffentlichen Meinung in die richtige Richtung zu lenken. (inwu)