Post aus Japan: Künstliche Intelligenz und Karl Marx

Roboter und Künstliche Intelligenz werden derzeit als Jobkiller und Bedrohung für die Menschheit gesehen. Damit stellt sich die Frage: Können wir Systeme schaffen, die besser als wir sind?

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Von
  • Martin Kölling
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Ich saß gerade im Innovative City Forum der Mori-Heritage Foundation in Tokio. Es ging dort um die Zukunft unserer Städte, aber im weiteren Sinne. Einer der Hauptsprecher war Blaise Agüera y Arcas, Principle Scientist von Google, der über Maschinenintelligenz sprechen durfte. Mit Städtebau hat dies nur indirekt zu tun. Dennoch kam eine Frage auf, die mich auch beschäftigt: Können wir ein System Künstlicher Intelligenz (KI) entwickeln, das besser ist als wir? Zum Beispiel weniger Vorurteile hat?

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Der Wissenschaftler zeigte an einem Beispiel wie schwer es ist, mit unseren bisherigen Methoden des Maschinenlernens superrationale KI zu erziehen, frei von Vorurteilen, gerecht, unbestechlich und ausgewogen. In den USA gibt es an der Havard Universität das Project Implicit, das uns unsere unbewussten Vorurteile vor Augen führen soll. Im "Race-Implication-Association-Test" sollen wir Bildern von Afro- und Euro-Amerikanern Attribute wie gut oder böse zuordnen.

Das Ergebnis sei ernüchternd, auch für KI, sagte Agüera y Arcas. Nicht nur Menschen beider Gruppen würden einem afro-amerikanischem Gesicht tendenziell mehr negative Attribute zuordnen. Auch eine KI könnte in die Vorurteilsfalle tappen, meinte Googles Top-Wissenschaftler. Denn ihre Einschätzungen würde sie durch Deep Learning aus genau den gleichen tendenziösen Medien beziehen wie wir Menschen.

Merke, frei nach Marx: Ohne Eingriffe des Menschen bestimmt derzeit das gesellschaftliche Sein des Menschen auch das Bewusstsein der Maschine. Joi Ito, Director des MIT Media Labs, fragte dann später auch folgerichtig, ob letztlich KI besser regieren könnte als Menschen oder nur effizienter. Eine schreckliche wie auch amüsante Vorstellung: Maschinen mit genau den gleichen moralischen Fehlern wie Menschen.

Agüera y Arcas widersprach jedoch der Andeutung der Unvermeidlichkeit, oder einer vorherbestimmten Maschinenevolution. Wir seien in einer Zeit jenseits der natürlichen Evolution, gab er zu bedenken. Denn wir Menschen könnten die Welt in größerem Umfang gestalten als je ein Lebewesen zuvor. Design und Evolution wirken also zusammen.

Gleiches gilt im Prinzip auch für die Künstliche Intelligenz. Agüera y Arcas meinte zu mir nach seiner Rede, dass es durchaus jetzt schon Ansätze und Versuche gebe, Maschinen vorurteilsfrei lernen zu lassen. Eine Methode scheint demnach eine gezieltere Auswahl des Lehrmaterials. Aber es gibt offenbar noch deutlich mehr Ideen, die er allerdings im Einzelnen nicht sofort in einem Interview verraten wollte.

Das Faszinierende bei dem Thema bleibt, dass selbst die größten Experten die Zukunft nicht voraussehen können. Denn letztlich ist auch die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz ein Lernen im Vorwärtsgehen. Und so bleibt es der Grundveranlagung eines jeden überlassen, ob man an ein Utopia glaubt oder an einen Horror, in dem Maschinen die Menschen knechten.

Und wie sieht Agüera y Arcas die Zukunft? "Ich bin optimistisch", sagt er. "Der Trend menschlichen Fortschritts ist sehr klar." Er glaubt, dass das Reich der Freiheiten gewachsen sei und weiter wachsen wird. In diesem Fall wird die Zukunft vielleicht schon in meinem Leben zeigen, ob er recht behält oder die Schwarzseher. ()