Für alles eine App

Apps für die Wettervorhersage oder zum Suchen von Bahnverbindungen hat jeder auf dem Smartphone. Aber Apps, um Maschinen oder Materiallager zu überwachen? Industrie-Apps sind im Kommen und lösen klassische Software in Betrieben ab.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Bernd Müller
Inhaltsverzeichnis

Das iPhone, das Apple 2007 präsentiert hat, hat das Leben von Millionen, mittlerweile sogar Milliarden Menschen verändert. Das Smartphone ist das erste Ding, das wir morgens in die Hand nehmen, und das letzte, das wir abends weglegen. Revolutionär beim iPhone war weniger die Hardware, auch nicht die Touch-Bedienung, sondern das Konzept der Apps. Kleine Progrämmchen, die man kostenlos oder für wenig Geld aus einem Online-Store laden kann, und die dem Smartphone immer neue Funktionen einhauchen – von der Wettervorhersage über Navigation bis zum Ballerspiel. Anders in den Industriebetrieben: Auf Maschinen oder in den kaufmännischen Abteilungen kämpfen die Mitarbeiter immer noch mit großen und komplexen Programmpaketen. Mobile Endgeräte wie Smartphone oder Tablets sind dort noch kaum anzutreffen.

Doch das ändert sich gerade. Eine der ersten Firmen mit eigener App im Programm war die Walter AG, Hersteller von Metallbearbeitungswerkzeugen in Tübingen. Mit dem Zerspanungsrechner fürs Smartphone kann der Benutzer unter anderem Antriebsleistung, Drehmoment, Schnittkraft, und Spandicke in einer Vielzahl von Bearbeitungen wie Eck-, Plan-, Nut-Fräsen, Bohren, Drehen und Stechen durch die Auswahl des zu bearbeitenden Materials und durch die Eingabe verschiedener Bearbeitungsparameter berechnen. Interessant fürs Controlling: Der Wirtschaftlichkeitsrechner vergleicht ein bestehendes Werkzeug mit einem neuen Werkzeug und berechnet die mögliche Einsparung.

Sogar SAP, bekannt durch umfangreiche Software für Lagerhaltung, Reisekostenabrechnung und viele andere betriebswirtschaftliche Funktionen, springt auf den App-Zug auf. Deutschlands Softwarekonzern Nummer eins betreibt seit zwei Jahren einen App-Store, in dem inzwischen rund 1200 Apps gelistet sind. Darunter so nützliche Helfer wie die Concur Reisekostenabrechnung, die mittels Smartphonekamera auch gleich die Hotel- und Taxiquittungen einliest und an die betreffende Stelle im Unternehmen übermittelt. "Apps sind eine Ergänzung unserer Softwareprodukte", sagt Oliver Edinger, bei SAP in Deutschland als Vice President Leiter für die Themen Internet der Dinge und Industrie 4.0.

Vor dem Start des Stores habe man Benutzergruppen und Prozesse untersucht, um herauszufinden, wo der Einsatz von Apps am meisten Sinn macht. Resultat: Apps sind dort sinnvoll, wo es um einfache, wenig komplexe Arbeitsschritte geht und wo Mobilität erforderlich ist. Instandhaltungstechniker, die beim Kunden eine Maschine warten, sind ein gutes Beispiel. Werker, die den ganzen Tag an derselben Maschine Dienst tun, eher nicht. Um die Entwicklung solcher Apps zu vereinfachen, hat SAP ein eigenes Framework entwickelt, das auf der Programmiersprache HTML5 aufbaut und damit für alle mobilen Plattformen wie Apples iOS oder Googles Android geeignet ist.

Gedankenspielen, Apps könnten eines Tages klassische SAP-Systeme ablösen, erteilt Edinger eine Absage. "Apps eignen sich, um einfache Funktionalitäten zu visualisieren. Komplexe Funktionen, die sehr stabil laufen müssen, wollen auch unsere Kunden nicht als Apps haben." Bei neuen und geeigneten Anwendungen allerdings wie bei der App für Instandhaltungstechniker gelte schon heute: Mobil geht vor. Solche Funktionen werden gleich fürs Smartphone entwickelt.

Andere Experten wie Daniel Stock vom Kompetenzzentrum Digitale Werkzeuge für die Produktion am Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart rechnen dagegen damit, dass sich Funktionen, die bisher in monolithischen MES- (Manufacturing Execution System) oder ERP-Systemen (Enterprise Ressource Planning) vereint waren, in gekapselte Funktionen aufspalten, die spezifische Probleme lösen. Wartungsdokumentation, Bestellungen von Ersatzteilen, Benachrichtigungen über Maschinenstörungen sind typische Funktionen, die sich in eine App packen lassen.

Was ist eigentlich eine App? Da gebe es Missverständnisse bei den Nutzern, gibt Stock zu. Der Begriff der App sei stark von Apple und seinem App-Store iTunes geprägt. Dort finden iPhone-Nutzer zigtausende Progrämmchen, eben alles, was auf dem Smartphone läuft. In der Industrie sind Apps aber keineswegs nur aufs Smartphone beschränkt. Apps können auch auf einem Windows-PC laufen. Entscheidend ist der Plattformgedanke: Egal, auf welchem Endgerät die App läuft, die Bedienung ist einheitlich und die Daten stammen aus derselben Quelle, meist aus der Cloud. Apps speichern keine Daten auf dem Endgerät, sondern zentral, so dass gleiche Apps überall auf der Welt auf die gleichen Informationen zugreifen können. Apps sind damit vor allem Benutzerschnittstellen, die den Umgang mit diesen Informationen erleichtern, die eigentliche Funktionalität – etwa die Berechnung von Wartungsintervallen auf Basis von Verschleißdaten – erfolgt in der Cloud. Flexibilität, einfache Bedienung und schnelle Verfügbarkeit sind dabei wichtiger als die Fülle von Funktionen.