Bauen wie gedruckt

Bauroboter und 3D-Drucker halten Einzug auf der Baustelle. In den nächsten Jahrzehnten werden sie die Baubranche von Grund auf verändern.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Joseph Scheppach
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Vollautomatisch greift sich die Vorrichtung an dem 28 Meter langen Teleskoparm Ziegel für Ziegel, kürzt sie, falls nötig, lässt Mörtel darauf fließen und setzt sie an die richtige Stelle – auf 0,5 Millimeter genau. Der Bauroboter mit dem Namen "Hadrian 109" kennt die exakte Position jedes einzelnen Ziegels aus den 3D-Plänen der CAD-Software. 1000 Ziegel pro Stunde mauert der Roboter. Selbst die besten Bauarbeiter schaffen in Wettbewerben höchstens 743 Steine. Nur zwei Tage brauchte die Maschine bei einem Testlauf, um ein ganzes Einfamilienhaus zu errichten. Ein Mensch würde dafür zwischen vier und sechs Wochen benötigen.

"Roboter werden eine wichtige Rolle in zukünftigen Konstruktionsarbeiten spielen", ist der Australier Mark Pivac überzeugt. Pivac ist Gründer des Unternehmens Fastbrick Robotics und Erfinder des Hadrian 109. Namensgeber war der römische Kaiser Hadrian, der den 117 Kilometer lagen Hadrianswall bauen ließ. Der Hadrian 109 des 21. Jahrhunderts kostet 500000 Dollar, soll nächstes Jahr auf den Markt kommen und 2021 weltweit agieren. Auf 200 Milliarden Dollar beziffert das Beratungsunternehmen BDO Research das potenzielle jährliche Marktvolumen, das sich global erzielen lässt – allein mit dem Absatz von Mauerrobotern.

In Dubai etwa hat Regierungschef Scheich Muhammad bin Raschid Al Maktum im Mai das erste 3D-gedruckte Bürogebäude eröffnet. Es besteht zwar nur aus einer Etage und wurde aus vielen 3D-gedruckten Bauteilen zusammengesetzt. Doch dabei soll es nicht bleiben. Bis 2030 will Dubai 25 Prozent seiner Gebäude 3D-drucken. Um bis zu 80 Prozent sollen die Baukosten dadurch sinken.

Die Automatisierung erfasst eine Branche, die lange davon unberührt war. Thomas Linner von der Fakultät für Architektur der TU München zufolge sind bereits heute "weltweit bis zu 5000 Bauroboter im Einsatz". Viele dieser Roboter haben intelligente künstliche Gliedmaßen, mit deren Hilfe einzelne Arbeiter tonnenschwere Bauteile greifen, hochheben und in Position bringen können. In Linners Institut arbeiten Forscher an einer ganzen Roboterfamilie, die wie elektronische Heinzelmännchen Rohbauten ausbaut. Thomas Bock, Professor für Baurealisierung und Baurobotik an der TU München, hat ermittelt, dass achtzig Prozent der Arbeiten, die beim Ausbau eines Gebäudes anfallen, intelligente Maschinen übernehmen können. Die Technologie sei ein Weg hin zu preisgünstigeren Immobilien.

Die Entwicklung dürfte Zigtausende Bauarbeiter aus dem Beruf verdrängen, auch wenn Hadrian-Entwickler Pivac versichert: "Wir haben absolut nichts gegen Maurer. Das Problem ist, dass das Durchschnittsalter der Maurer zunimmt und es schwierig ist, junge Menschen für den Beruf zu begeistern." Dennoch dürfte die menschenleere Baustelle noch eine Weile auf sich warten lassen.

Näher an der Realität ist eher die enge Zusammenarbeit von Bauarbeiter und Bauroboter. Ein gutes Beispiel dafür ist heute schon SAM. Der Semi-Automated Mason hebt Ziegelsteine hoch, trägt den Mörtel auf und setzt die Steine aufeinander. Doch anders als der vollautomatische Hadrian übt sich SAM im Zusammenspiel mit Menschen. Neben dem Bauroboter agiert ein Maurer, der den überschüssigen Mörtel verstreicht und die Ziegelsteine an komplizierten Ecken und Stellen verlegt. Sensoren und Laserstrahlen messen, ob die Ziegel im richtigen Winkel stehen und wie schnell der Maurer arbeitet, damit sich der Roboter an dessen Geschwindigkeit anpassen kann. Roboter würden so vor allem die besonders schweren oder gefährlichen Aufgaben übernehmen.

"Zwei Exemplare des rund eine halbe Million Dollar teuren Roboters sind bereits verkauft und mehrere vermietet", erklärt Zak Podkaminer, Gründer der Firma Construction Robotics im US-Bundesstaat New York. Der Entwickler erwartet eine "enorme Produktivitätssteigerung für die Baubranche. Denn SAM kann bis zu 1200 Bausteine pro Tag aufeinanderstapeln." Ein Maurer schafft nur zwischen 300 und 500 Ziegelsteine pro Tag.

Nur an Deutschland scheint die Entwicklung nahezu spurlos vorbeizugehen. Von den weltweit 5000 Baurobotern stehen "die allerwenigsten in Deutschland", sagt Linner, Autor der "Cambridge Handbooks on Construction Robotics". "Statt die Technologien beim Bauen weiterzuentwickeln, hat ein Teil der deutschen Bauindustrie die eigenen Maschinenparks und ihre Belegschaften abgebaut und stattdessen Billigarbeiter eingesetzt. Es fehlt der Druck zum Einsatz kostspieliger Roboter." Er rechnet mit "20 oder 30 Jahren", bis sich Roboter hierzulande in der Bauindustrie etabliert haben. Was für viele Bauarbeiter eine gute Nachricht ist, könnte sich für die Firmen selbst als Bumerang erweisen. Denn für Linner ist es nur eine Frage der Zeit, bis Baufirmen keine andere Wahl mehr hätten, als auf intelligente Maschinen zurückzugreifen. Gebäude würden schlicht zu komplex für die manuelle Erstellung.

Auch vom zweiten Trend ist hierzulande nicht viel zu sehen: dem 3D-Druck bei Gebäuden. Wer Experimente sucht, muss nach Saudi-Arabien, Amsterdam oder China reisen. In China etwa kamen bereits Bauteile für sechs Villen und zehn einstöckige Häuser aus dem 3D-Drucker, hergestellt von der Firma Shanghai WinSun Engineering. Nur zwei Tage dauerte der Druckprozess für deren bislang größtes Objekt: eine zweistöckige 1100-Quadratmeter-Villa im ostchinesischen Suzhou. Weitere fünf Tage benötigte der Zusammenbau der gedruckten Elemente und konventionell gefertigter Etagenflächen, Eingangssäulen und Balkone. Nur eine Million Yuan, umgerechnet 144000 Euro, hat die ausgedruckte Villa gekostet. Von außen ist sie kaum von einem herkömmlich errichteten Gebäude im viktorianischen Stil zu unterscheiden, das 80 Millionen Yuan (11,5 Millionen Euro) kostet. Das Drucken übernimmt ein 3D-Plotter, der sechs Meter hoch, zehn Meter breit und 150 Meter lang ist und so über ein Druckbrett von mehr als 370 Quadratmetern verfügt.