Streit um multilinguale Domains steht ins Haus

Streit um chinesische Domainnamen steht ins Haus, nachdem der Direktor des CNNIC noch einmal auf Chinas besondere Rolle bei ihrer Einführung verwiesen hat.

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  • Monika Ermert

Streit um chinesische Domainnamen steht seit der vergangenen Woche ins Haus, nachdem der Direktor des China Network Information Center (CNNIC) in Hongkong noch einmal auf Chinas besondere Rolle bei der Einführung chinesisch-sprachiger Domains verwiesen hatte. Chinas Behörden hatten verschnupft darauf reagiert, dass derzeit Provider in Hongkong und Peking chinesische Adressen für .com (Network Solutions NSI) und die chinesische Variante .com.cn (CNNIC) nach unterschiedlichen Systemen registrieren. In einem Abschlussbericht zur ersten chinesischen Tagung zur Registrierung chinesischer Domains in Peking beschwichtigt nun Hu Qiheng, Vizevorsitzender der Chinesischen Akademie der Wissenschaften: "Wir sollten uns darauf konzentrieren, die Anforderungen der ICANN und der IETF für chinesische Domainnamen zu erfüllen. Vorerst hat auch unsere Konkurrenz, allen voran NSI, kein Standardsystem, auch NSI ist erst in einer Testphase."

Mit einem gemeinsam mit Taiwan, Hongkong und Macao gegründeten Konsortium (CNDC) und einer erfolgreichen Testphase hofft man, einem künftigen Standard bei der Kodierung der Zeichen und den Vergaberichtlinien möglichst nahe zu kommen. Ein allgemein gültiger, von der Internet-Verwaltung ICANN verabschiedeter Standard sei das Hauptziel, sagte Hu. Denn "das Internet ist seiner Natur nach international und global. Wer nicht international agieren kann, hat auch auf dem chinesischen Markt keine Chance", sagte Hu.

Damit scheint auch vorerst der befürchtete Zerfall des DNS in unterschiedliche Sprachzonen abgewehrt, vor der auch der IETF-Vorsitzende John Klensin bei der Jahrestagung der ICANN in Los Angeles gewarnt hatte. Klensin, der im Oktober in Peking zu Gast war, hatte den Start des NSI-Tests Mitte November als verfrüht bezeichnet. Eine spezielle Arbeitsgruppe der IETF arbeitet derzeit an einem Standard; im Moment liegen ein halbes Dutzend verschiedene Vorschläge auf dem Tisch, wie die Nicht-ASCII-Zeichen im DNS übersetzt werden sollen. James Seng von i-DNS, einem Unternehmen, das mehrsprachige Registry-Systeme anbietet, berichtete in Los Angeles, dass allein sein Unternehen mit vier verschiedenen Lösungen bei unterschiedlichen Registraren arbeitet. Seng, Mitglied der IETF-Arbeitsgruppe, bekundete ebenso wie NSI, man werde sich an einen verbindlichen Standard halten, sobald die IETF sich für einen entschieden hat.

Vorerst registrieren alle Seiten eifrig chinesische Domains, CNNIC will inzwischen bereits knapp eine Million Adressen vergeben haben. NSI sprach ebenfalls von einer enormen Nachfrage. Grundsätzlich dürfte das chinesische NIC mit der Einführung der chinesisch-sprachigen Domains die Hoffnung verbunden haben, nicht mehr ganz so viele Kunden an den .com-Bereich zu verlieren. Dieses Motiv dürfte auch hinter den vom chinesischen Ministerium für die Informationsindustrie (MII) für Ende des Jahres angekündigten Preissenkungen bei der Registrierung der .cn-Domains stehen.

Kurz vor dem Start des NSI-Testlaufs publizierte das MII außerdem einen Erlass, der eine Lizenzierung aller in China tätigen Registrare vorsieht. Ernsthaft lasse sich allerdings der gerne von offizieller Seite erhobene hoheitliche Anspruch auf alles Chinesische nicht aufrechterhalten, sagen chinesische Experten hinter vorgehaltener Hand. "Wir wollen keineswegs die chinesischen Adressen unter .com regulieren, wir wollen einfach nur, dass chinesische Adressen aus Taiwan, Hongkong, Macao und China ihren ordnungsgemäßen Platz im Gesamtsystem bekommen", kommentierte Hu. In Los Angeles hatte Chinas Regierungsvertreter im Regierungsbeirat (GAC) der ICANN gemeinsam mit europäischen Vertretern für die Verabschiedung einer Aufforderung an die Domainverwalter gesorgt, nach der bei Einführung mehrsprachiger Domains die Regierungen der betroffenen Länder in die Diskussion einbezogen werden müssten.

Völlig ungeklärt sind auch noch Fragen wie die nach der Schlichtung von Streitigkeiten um Domains. Dem CNNIC wurde von amerikanischer Seite vorgeworfen, dass es keine Dispute Resolution Policy gebe. In China werde man nur an die Gerichte verwiesen. Ein Vorschlag für eine chinesische Dispute Policy findet sich aber derzeit auf der Seite des CNNIC. Als Schlichterstelle ist bislang die "Wirtschafts- und Handelskommission für Schlichterverfahren" benannt. Deren Vizevorsitzender Yong Li erklärte auf der Konferenz zum chinesischen Domainsystem, beim Ausgleich der Interessen des Domaininhabers und des Markeninhabers müsse der öffentliche Nutzen im Vordergrund stehen, der Markenschutz im Domainbereich dürfe nicht stärker sein als im allgemeinen Recht.

Im asiatischen Domaingeschäft müssen dabei eine ganze Reihe für westliche Domaininhaber und Markenrechtler unbekannte Probleme gelöst werden: Gilt der Schutz eines Namens für verschiedene Schreibvarianten wie klassisches und vereinfachtes Chinesisch? Und wie regelt man konkurrierende Ansprüche auf eine Zeichenkombination, die es auf Grund historischer Verwandschaften gleichermaßen in Chinesisch, Japanisch und Koreanisch gibt? (Monika Ermert) / (jk)