Bittere Kröten-Happen

Die heimische Fauna wollen australische Forscher vor den aggressiven Aga-Kröten schützen. Dafür stellen sie eigens Wurst aus den mit Giftdrüsen gewappneten, neu angesiedelten Amphibien her.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Die Erkenntnis, dass sich die Uhr nicht zurückdrehen lässt, zählt zum Allgemeingut. Dennoch häufen sich vielerorts die Bestrebungen, angeblich zugewanderte Spezies auszurotten. Es soll der alte, der ursprüngliche Status quo wieder hergestellt werden. Dabei stellt sich die Frage, wie der britische Wissenschaftsjournalist Fred Pearce eindrucksvoll in seinem Buch "Die neuen Wilden" (oekom Verlag, 330 Seiten, 22,95 Euro) ausführt, zu welchem Zeitpunkt man zurückgehen möchte.

In vielfacher Hinsicht leidgeplagt sind die Australier: Im 18. Jahrhundert brachten Einwanderer aus Europa Hauskatzen mit auf den Kontinent. Deren verwilderte Nachkommen besiedeln der Spektrum -Webseite zufolge inzwischen 99,8 Prozent der Fläche, da sie – außer den allerdings schon vor rund 5000 Jahren angelandeten Dingos – keine natürlichen Feinde haben.

Zu einer ungeheuren Plage entwickelten sich die ebenfalls vor mehr als 200 Jahren nach Australien mitgebrachten Kaninchen. Gegen sie landete man in den 1950er Jahren immerhin einen Coup, als man sie gezielt mit einem Krankheitserreger aus Brasilien infizierte. Einen ähnlichen Schlag plant die Regierung im kommenden Jahr gegen den genauso im 19. Jahrhundert in Australien angesiedelten Karpfen. Der Fisch, der bald mehr als 80 Prozent der Bewohner des Murray-Darling-Becken stellt, soll mit Herpesviren bekämpft werden. Ein riskantes Unterfangen.

Andere Neulinge haben sich erfolgreich gegen sämtliche Maßnahmen behauptet. So die im vorigen Jahrhundert ab 1935 zur Bekämpfung von Zuckerrohrkäfern aus Südamerika eingeführten Aga-Kröten. In der Forschungsorganisation "CSIRO" (Commonwealth Scientific Industrial Research Organization) arbeiteten Wissenschaftler zuletzt an einem Amphibienvirus, mit dem das Erreichen der Geschlechtsreife verhindert werden sollte. Aber das Projekt musste abgebrochen werden, weil sich herausstellte, dass auch wichtige einheimische Amphibienarten darunter leiden würden.

Nun verlegen sich die Australier auf alternative Maßnahmen angesichts der mehr als 200 Millionen auf ihrem Kontinent lebenden Tiere. Um ihre Fauna ein wenig vor den wehrhaften mehr als 20 Zentimeter großen und über ein Kilo schweren Kröten zu schützen, soll eine große Anzahl der Aga-Kröten verwurstet werden. Das Fleisch wird zusätzlich noch mit Bittersalzen versetzt.

Anschließend soll Beutegreifern mit der Krötenwurst der Appetit auf die Amphibien verdorben werden. Corrin Everitt von der State Cane Toad Initiative Westaustralien und sein Team hoffen, den potenziellen Krötenjägern durch Geruch und Geschmack die Lust auf das Tier zu nehmen: "Beutelmarder und andere Arten lernen, dass die Kröten schlecht schmecken und stellen ihnen anschließend nicht mehr nach", zitiert die Spektrum -Webseite Everitt. Bei den Waranen hat die Methode gefruchtet. Verdarben sie sich an weniger giftigen jungen Kröten einmal leicht den Magen, machten sie künftig einen großen Bogen um die vermeintlichen Happen.

Trotzdem ist die Wurstaktion äußerst aufwändig, sodass die Bevölkerung um Hilfe gebeten wird. Sie soll Aga-Kröten fangen und an Sammelstellen abgeben, wo sie getötet und verarbeitet werden. Bisher geschieht das alles noch von Hand, aber es besteht immerhin Hoffnung auf die Unterstützung von Unternehmen. Angesichts der Zahlen aber – sowohl der Krötenpopulation wie auch der Tiere, die den aggressiven Amphibien zum Opfer fallen – wirkt das ganze Projekt wie ein Tropfen auf den heißen Stein. (inwu)