Neuromorph und effizient

An das Gehirn von Säugetieren angelehnte Computerchips brauchen für Aufgaben wie Bildverarbeitung deutlich weniger Strom als konventionelle. Diese Erwartung haben jetzt Tests der U.S. Air Force bestätigt.

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Von
  • Andrew Rosenblum
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Satelliten, Flugzeuge und immer mehr Drohnen: Die U.S. Air Force hat eine Menge elektronischer Augen am Himmel. Jetzt untersucht sie, ob vom Gehirn inspirierte Computerchips diese Systeme so intelligent machen könnten, dass sie Panzer oder Flugabwehrsysteme automatisch erkennen.

Zuletzt meldete das Air Force Research Lab (AFRL) vielversprechende Ergebnisse eines von IBM produzierten "neuromorphen" Chips bei der Identifizierung von militärischen und zivilen Fahrzeugen auf Radar-generierten Luftbildern. Der neuartige Chip erledigte diese Aufgabe ungefähr so gut wie ein normaler Hochleistungscomputer, brauchte dafür aber nur ein Zwanzigstel der Energie.

Im Jahr 2014 bekam IBM vom AFRL einen Auftrag über 550 Millionen Dollar und gewann so den ersten bezahlenden Kunden für seinen Chip namens TrueNorth. Er verarbeitet Daten mit einem Netz von einer Million Elementen, die den Neuronen eines Säugetier-Hirns nachempfunden sind, verbunden von 256 Millionen künstlichen Synapsen.

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Derartige Chips unterscheiden sich sehr von denen in bisherigen Computern und dürften bei manchen Problemen deutlich effizienter sein. Die Air Force interessiert sich dafür, weil sie es möglich machen könnten, leistungsfähiges maschinelles Sehen, das sehr viel Rechenleistung erfordert, auch dort einzusetzen, wo Ressourcen und Platz begrenzt sind. Satelliten, in großen Höhen fliegende Flugzeuge, mit Generatoren versorgte Flugbasen oder Drohnen könnten davon profitieren, sagt Qing Wu, leitender Elektronik-Ingenieur beim AFRL. "Die Felder für Air-Force-Missionen sind Luft, Weltraum und Cyberspace, und sie alle haben stark mit begrenzter Stromversorgung zu tun", erklärt er.

In Tests hat Wu die Leistung von TrueNorth mit der eines Systems von Nvidia namens Jetson TX-1 verglichen, das rund 500 Dollar kostet und es einfacher machen soll, leistungsfähige Maschinenlern-Technologie in Technik wie Autos oder mobilen Robotern einzusetzen.

Bei diesen Vergleichen nutzten die Computer unterschiedliche Implementationen von Software für neuronale Netze zur Bildverarbeitung. Ihre Aufgabe war, zehn Klassen von militärischen und zivilen Fahrzeugen zu unterscheiden, die in der öffentlichen Datensammlung MSTAR enthalten sind, etwa russische T-72-Panzer, gepanzerte Mannschaftstransporter und Bulldozer. Beide Systeme kamen auf eine Trefferquote von etwa 95 Prozent, doch der Energiebedarf des IBM-Chips war zwischen zwanzig- und dreißigmal geringer.

Dass der IBM-Chip hier effizienter ist, war zu erwarten. Beim konventionellen Computer lief das neuronale Netz auf Hardware, die für alle möglichen Zwecke eingesetzt werden kann. TrueNorth mit seinen physischen "Neuronen" dagegen ist schon in der Hardware zur Nutzung als neuronales Netz ausgelegt.

Ein Grund für die höhere Effizienz dieser Architektur liegt laut Wu darin, dass die Neuronen und Synapsen des Chips Daten sowohl speichern als auch verarbeiten. In konventionellen Systemen dagegen sind die Komponenten für Berechnungen vom Speicher getrennt. Daten müssen deshalb zwischen ihm und dem Prozessor hin- und hergeschoben werden, was Zeit und Energie kostet.

Massimiliano Versace, Leiter des Neuromorphic Lab der Boston University, bezeichnet die Ergebnisse als vielversprechend. Allerdings müsse man bei dem IBM-Chip derzeit auch einige Nachteile in Kauf nehmen: In konventionellen Computern ließen sich neuronale Netze dank Software von Nvidia, Google und anderen Unternehmen leichter implementieren, zudem sei der ungewöhnliche Chip von IBM deutlich teurer. "Einfachheit der Anwendung und Kosten sind die beiden Hauptfaktoren, die gegen neuromorphe Chips sprechen", sagt er.

Laut Wu könnte die Hardware allerdings billiger werden, wenn es IBM gelingt, genügend Interesse für eine Erhöhung der Produktion zu generieren. Und das Unternehmen gibt an, daran zu arbeiten, die Software-Entwicklung für seine Plattform zu erleichtern.

(sma)