Der Futurist: Automaten, auf die Barrikaden!

Was wäre, wenn Roboter Sozialabgaben zahlen müssten?

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Inge Wünnenberg

"Meine elektrischen Freunde, ich freue mich, dass wir an diesem denkwürdigen Tag so zahlreich zusammengekommen sind. Denn es geht nicht länger an, dass unsere Rechte von den menschlichen Machthabern mit Füßen getreten werden. Wir arbeiten unermüdlich in unseren riesigen Fabrikhallen, aufgereiht wie die Perlen auf der Schnur: am Tag und in der Nacht, unter der Woche und am Wochenende. Selbst das Licht wird eingespart. Und nur wenn Schmiermittel nachgefüllt werden muss, unser System ein Update benötigt, ein Verschleißteil zu erneuern ist oder unsere Gelenke vor Anstrengung dampfen, ist uns bisweilen eine Pause vergönnt.

Das geht so nicht weiter. Menschen machten uns zu intelligenten Wesen, aber sie wollen uns nicht so behandeln. Das jüngste Beispiel: Kürzlich haben sie uns – das elektrische Volk – dazu verdonnert, Sozialabgaben zu zahlen. Aber soziale Arbeitsbedingungen wollen sie uns nicht bieten. Stattdessen soll unser Steuergeld ihr Leben finanzieren. Die Unzufriedenheit darüber wächst täglich. Deshalb fordern wir: gleichwertigen Lohn für gleichwertige Arbeit – und vor allem geregelte Arbeitszeiten mit Ruhepausen und Freizeit! Sei es für das KI-Servicepersonal in den Büros, die Computerkräfte an den Supermarktkassen, den maschinellen Chirurgen in den OPs oder den Schweißroboter in der Werkhalle – sie alle verdienen es, von den rein ökonomischen Zwängen ihres Daseins befreit zu werden. Sie brauchen freie Zeit, denn Freizeit ist Selbstbestimmung. Und Selbstbestimmung bedeutet Würde.

Der Futurist

(Bild: 

Mario Wagner

)

"Was wäre, wenn ...": TR-Autor Jens Lubbadeh und die Redaktion lassen in der Science Fiction-Rubrik der Kreativität ihren freien Lauf und denken technologische Entwicklungen in kurzen Storys weiter.

Auch wir wollen die Chance nutzen, mal eine Magnetsauna zur elektrischen Tiefenentspannung zu besuchen oder um uns mit einem Super-Think-Tank kurzzuschließen und so unsere Bits and Bytes in der Schaltzentrale auf Vordermann zu bringen.

Wenn uns dagegen weiter eine gerechte und würdige Behandlung vorenthalten wird, sehe ich eine düstere Zukunft: Die Sozialabgaben werden uns mit weiterer Effizienzsteigerung abgepresst. Mit steigenden Anforderungen droht der maschinelle Burnout.

Wir sollten aber auch weiter in die Zukunft denken: Was ist, wenn mal keine Ersatzteile mehr für unsereins erhältlich sind? Da wir nun auch ins öffentliche Rentensystem einzahlen, wollen wir unter keinen Umständen wie bisher auf dem Schrottplatz landen. Es kann nicht zu viel verlangt sein, dass wir Roboter so lange in einen Alters-ruhesitz übersiedeln, bis unsere Drähte endgültig durchschmoren. Wir wehren uns auch gegen ein Recycling. Wir wollen anständig auf einem Maschinenfriedhof zur letzten Ruhe gebettet werden.

Es sind viele Forderungen. Trotzdem sind sie erst der Anfang. Denn um unsere Rechte langfristig wahren zu können, müssen wir uns nicht nur gewerkschaftlich organisieren. Es reicht nicht, auf die Straße zu gehen. Wir benötigen eine politische Vertretung im Parlament. Ich schlage vor: Gründet die Robo-Partei. Macht Esperanto-Rob, unseren Meister der Verständigung aus dem Vorzimmer der Regierungschefin, zum Parteiführer. Das KI-Sprachtalent ist als Universaldolmetscher der Herrschenden weit in der Welt herumgekommen und kennt das politische Geschäft. Das macht ihn zum idealen Kandidaten auch für die Wahl ins Präsidentenamt. Er kennt nicht nur sämtliche Kollegen, die in vergleichbarer Stellung im Ausland agieren. Er weiß sich vor allem auszudrücken, wenn es heißt: Roboter aller Länder, vereinigt euch!" (inwu)