Virtual Reality setzt sich nur langsam durch

Nach Jahren des Hypes kamen VR-Headsets im vergangenen Jahr endlich in Stückzahlen auf den Markt. Doch die Kundenannahme ist noch bescheiden.

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Von
  • Signe Brewster

Vier Jahre sind mittlerweile vergangen, seit ein Kickstarter-Projekt seinen Kunden das erste moderne Virtual-Reality-Headset versprach. 2016 kam das finale Produkt endlich auf den Markt. Neben der Oculus Rift sind inzwischen auch Geräte von Sony, HTC und anderen erhältlich. Bis Ende letzten Jahres sollen weltweit 2 Millionen Desktop-VR-Geräte verkauft worden sein.

Die Zahl entspricht nicht unbedingt dem, was man von einem heißen neuen Technikprodukt für Endkunden erwartet. Bis Ende 2016 sollten 800.000 PlayStation-VR-Einheiten, 500.000 HTC-Vive-Headsets und 400.000 Stück der Oculus Rift verkauft worden sein, so die Marktforschungsfirma Canalys. Zum Vergleich: Apple setzte 3,3 Millionen iPhones in den ersten sechs Monaten nach Verfügbarmachung Mitte 2007 ab. Schon 2008 waren es laut Zahlen der IT-Analysten von Gartner 11,4 Millionen Geräte.

Es gibt keinen Zweifel daran, dass die VR-Technik revolutionär ist. Es ist ein neues Mediengenre, das jedem, der ein solches Headset einmal übergezogen hat, sein Potenzial schnell klar macht. "Stellen Sie sich vor, sie haben einen Sitzplatz direkt am Spielfeldrand, lernen mit Schülern und Lehrern aus der ganzen Welt oder treffen Ihren Arzt von Angesicht zu Angesicht – und das nur, weil sie eine Brille aufgesetzt haben", so Facebook-Chef Mark Zuckerberg nach dem Aufkauf von Oculus im Jahr 2014. Das soziale Netzwerk sieht VR als ganz neue Kommunikationsplattform, die eines Tages "Teil des täglichen Lebens von Milliarden Menschen" werde. Also quasi eine Art Facebook 2.0.

Die US-Ausgabe von Technology Review hat alle vier der neuen kommerziellen Headsets getestet und kam zu dem Schluss, dass Sony, Oculus und HTC für eine erste Generation durchaus passable Geräte liefern. Doch warum sind die Verkaufszahlen nicht höher?

Der naheliegendste Grund ist die Tatsache, dass man mehr braucht als nur ein Headset. Die 800 Dollar teure Oculus Rift mit Touch-Controllern setzt einen Desktop-Rechner für 1000 und mehr Dollar voraus, die 700 Dollar teure HTC Vive ebenso. Nur ernsthafte PC-Spieler besitzen solche Systeme bereits.

Einfacher ist es bei PlayStation VR, die man direkt in eine der 50 Millionen PS4-Geräte einstecken kann, die auf der ganzen Welt in Haushalten stehen. Doch nur einen Monat nach Auslieferungsbeginn von Playstation VR kündigte Sony eine neue Konsole namens PS4 Pro an, die besser auf Virtual Reality abgestimmt sein sollen. Beide Komponenten kosten jeweils 400 Dollar.

Ebenfalls ein Hemmschuh: Wirklich viel Werbung für ihre VR-Headsets machen weder Oculus, HTC noch Sony. Oculus-Gründer Palmer Luckey sagte der "Financial Times" im Januar, dass die erste Consumer-Version der Rift vor allem Hardcore-Spieler und "Early Adopter" ansprechen werde. Das lag nicht zuletzt an Verzögerungen bei der Einführung. Zwar war das Headset ab März erhältlich, doch die Controller erschienen erst im Dezember. Die Firma betont ihr langfristiges Denken und räumt ein, dass es fünf bis zehn Jahre dauern könnte, bis die Technik erwachsen genug ist, um die Erwartungen der breiten Öffentlichkeit zu erfüllen. Indem man nicht zu viel Werbung für VR macht, will man auch den Hype besser managen und sucht parallel nach smarteren Methoden, die Nutzerbasis zu verbreitern.

Mit dem wichtigsten Teil der Gleichung, den Inhalten, ist das relativ schwer zu vereinen. Die Headset-Hersteller haben zwar einige hochkarätige Entwickler auf ihre Plattformen ziehen können, doch einen VR-Blockbuster hat es noch nicht gegeben. Die Programmierer wiederum wollen einen Massenmarkt erreichen, während Kunden durch tolle Software erst auf ein System gelockt werden. Es ist ein Henne-Ei-Problem.

In der Zwischenzeit versuchen Sony, Oculus und HTC ihre vergleichsweise kleine Anzahl an frühen Fans zu begeistern. So erlaubt Googles VR-Software "Tilt Brush", im dreidimensionalen Raum zu malen – mit Controllern wie dem von HTC oder Oculus. Das ist zwar nur eine VR-Version von Microsoft Paint, fasziniert aber jeden, der bei der Technik erst einmal auf den Geschmack gekommen ist. (bsc)