Junges Blut als teure Therapie

Ein Start-up namens Ambrosia füllt die Venen reicher Kunden mit dem Blutplasma junger Menschen. Ob das wirklich medizinische Vorteile hat, ist umstritten.

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Von
  • Amy Maxmen

Nicht weit von einem Highway an der Pazifikküste im kalifornischen Monterey sitzt eine Privatklinik, in der man 8000 US-Dollar dafür zahlen kann, sich Blutplasma von Teenagern und jungen Erwachsenen in die Venen pumpen zu lassen.

Jesse Karmazin ist der Unternehmer, der dieses Geschäft ermöglicht. Er hat kürzlich eine klinische Studie zum Potenzial dieses jungen Blutes gestartet, die bei seinem Start-up Ambrosia läuft. Ihm zufolge sehen die meisten Teilnehmer innerhalb eines Monats "Verbesserungen". Sie erhalten zwei Liter Plasma, also Blut ohne Blutzellen.

Das Projekt stößt nicht nur auf positives Feedback. So gibt es Wissenschaftler und Ärzte, die die Studie von Karmazin für so schlecht umgesetzt halten, dass sie nahezu keine Chance habe, vernünftige Daten zu den Effekten der Transfusionen zu liefern. Kritik gibt es auch wegen der Tatsache, dass man für die Teilnahme zahlen muss. Potenziell 4,8 Millionen Dollar könnte Ambrosia von den bis zu 600 Probanden erlösen.

Sicher ist schon mal, dass die Idee auf interessanten Forschungsergebnissen basiert – wenn auch umstrittene. Karmazin ist 32 Jahre alt, Princeton-Absolvent und selbst als Wettkampfruderer unterwegs. Ambrosia sei von Untersuchungen an Mäusen inspiriert, bei denen die Venen mehrerer Tiere gekoppelt wurden – in einer Prozedur namens Parabiose.

Über die letzten zehn Jahre hinweg zeigten erste Studien zumindest teilweise, dass es möglich sein könnte, bei alten Mäusen Alterserscheinungen zu lindern, wenn diesen das Blut junger Tiere verabreicht wurde. Die Ergebnisse sind aber nicht unumstritten. Ein Paper aus dem Jahr 2013, das im Journal "Cell" Erschienen ist, zeigte, dass eine bestimmte Komponente in jungem Blut, GDF11, die Muskelstärke verbessert könnte. Allerdings ließ sich dies von anderen Forschern nicht replizieren.

Auch andere Parabiose-Experimente zeigen nur am Rande, welchen Effekt die Einmaltransfusion im Rahmen der Ambrosia-Studie haben könnte. "In unserer Untersuchung wurde die Zirkulation zwischen junger und alter Maus fast vier Wochen lang aufrecht gehalten", so Amy Wagers, Professorin für regenerative Biologie an der Harvard University, aus deren Labor das "Cell"-Paper stammt.

Trotz dieser Unsicherheit wird das Potenzial jungen Blutes, Krankheiten zu behandeln, auch in einer Anzahl anderer klinischer Studien getestet. Eine Untersuchung, die von der University of California in San Francisco finanziert wird, prüft, ob Transfusionen Patienten helfen, die an der progressiven supranukleären Blickparese leiden. In China untersucht man unterdessen, ob die Gabe jungen Blutes die neurologischen Folgen eines akuten Schlaganfalles lindern kann.

2014 demonstrierte der Stanford-Neurowissenschaftler Tony Wyss-Coray, dass alte Mäuse ein verbessertes Nervenzellwachstum und ein stabileres Gedächtnis zeigten, nachdem sie zehn Infusionen mit Blut junger Tiere erhielten. Das wiederum inspirierte ihn dazu, eine eigene Firma namens Alkahest im kalifornischen Menlo Park zu gründen. Diese testet nun, ob das Plasma junger Menschen bei der Alzheimer-Behandlung helfen kann.

Die Alkahest-Studie ist konventioneller als die von Ambrosia: Teilnehmer zahlen nichts und es ist geplant, mit 18 Freiwilligen zu arbeiten. Anfangs geht es darum, zu überprüfen, wie gut alte Menschen kleine Plasmadosen vertragen. Wyss-Coray sagt, das erste Geld für das Start-up komme von einem Milliardär aus Hongkong, der glaubte, dass eine Plasma-Transfusion seinem Vater im Kampf gegen Alzheimer geholfen hat. Im März 2015 steckte die Plasma-Firma Grifols dann 37,5 Millionen Dollar in Alkahest.

Wie verschiedene andere Forscher und Bioethiker auch besorgt Wyss-Coray die Tatsache, dass Ambrosia sich die Studie von den Teilnehmern und nicht von Investoren oder staatlichen Stellen bezahlen lässt. "Die Leute wollen glauben, dass junges Blut die Jugend wiederherstellt, auch wenn wir keine Beweise dafür haben, dass es bei Menschen funktioniert – und wir die Mechanismen nicht verstehen, die bei Mäusen ablaufen." Er glaubt gar, der Pitch von Ambrosia sei deshalb so attraktiv, weil er an Vampirgeschichten erinnere. Da gäbe es doch die ungarische Geschichte von der reichen Frau, die im Blut von Jungfrauen bade, um ihre Jugend zu erhalten.

Karmazin teil diese Befürchtungen nicht. Er hält die Ergebnisse aus Tierversuchen für überzeugend. "Ich will diese Behandlung Menschen verfügbar machen." Er benannte die Firma dementsprechend nach der Götternahrung der alten Griechen.

Karmazin hat selbst einen Doktor der Medizin, aber keine Arztzulassung. Dafür hat er sich David C. Wright ins Boot geholt, einen Arzt von 66 Jahren, der ein privates Zentrum für intravenöse Therapien betreibt. Er bietet unter anderem "alternative" Infusionen mit Antibiotika und Vitaminen an. Sie sind populär bei Menschen mit diffusen Symptomen wie dem chronischen Erschöpfungssyndrom oder der chronische Variante der Lyme-Borreliose. Im Januar 2015 wurde Wright allerdings vom California Medical Board gerügt, weil er antibiotische Infusionen einem Patienten verabreichte, der diese gar nicht benötigte. Die Person landete schließlich in der Notaufnahme. Auf Anrufe der US-Ausgabe von Technology Review reagierte Wright nicht.

Bis zum 15. Dezember hat Wright laut Aussagen von Karmazin nun 25 Personen eine Transfusion jungen Blutes verpasst. Karmazin behauptet, die Teilnehmer sähen schon jetzt wunderbare Ergebnisse. Ein Patient mit chronischem Erschöpfungssyndrom fühle sich "erstmals seit Jahren" gesund und sehe "jünger" aus. Solche Anekdoten könnten helfen, die Studie zu vermarkten, sind aber kein Beweis dafür, dass Plasmainfusionen funktionieren und Patienten auf sie vertrauen sollten.

"Es gibt eine Menge patientenfinanzierte Studien, die von Firmen durchgeführt werden, die die Studien als Weg nutzen, Produkte zu verkaufen, die sonst nicht vermarktbar wären, weil sie von der US-Gesundheitsaufsicht reguliert sind", sagt Jonathan Kimmelman, Bioethiker an der McGill University in Montreal.

Das formale Ziel der Ambrosia-Studie ist es, den Effekt des jungen Plasmas anhand von rund 100 Biomarkern zu überprüfen. Vor der Infusion und einen Monat danach lassen alle Patienten ihr Blut auf diese Biomarker untersuchen – vom Hämoglobin bis zum Leptin. Irina Conboy, Professorin an der University of California in Berkeley, hält das für nicht sehr clever. Die Biomarker seien bedeutungslos, weil es auch keine Kontrollgruppe von Patienten gebe, die kein Plasma erhalten.

Biomarker im Blut änderten sich zudem aus vielen verschiedenen Gründen. "Wenn man etwas isst, ändert sich der Leptin-Wert." Die Alkahest-Studie an Alzheimer-Patienten sieht Conboy ebenfalls kritisch. Letztes Jahr fanden sie und einige Kollegen heraus, dass ältere Mäuse, deren Blut teilweise durch junges Blut ersetzt wurde, nur wenige Vorteile davon hatten. "Beide Studien werden durch dasselbe Problem beschädigt – und das ist die Tatsache, dass es keine Beweise dafür gibt, dass die Infusion von Plasma eines jungen Tieres bei einem alten Tier die Alterungsprozesse rückgängig macht." Trotz alledem seien viele Menschen bereit, sich fragwürdigen Anti-Aging-Therapien hinzugeben. "Man sieht sie bei manchen Konferenzen – Leute im Publikum mit Taschen voller merkwürdiger Nahrungsmittel." Ambrosia habe es auf diese Gruppe abgesehen.

Das Start-up nimmt quasi jeden über 35 als Probanden auf. Die Gebühren in Höhe von 8000 Dollar pro Person könnten sich schnell auszahlen. Karmazin weist die Unterstellung zurück, ihm gehe es um Profite. Ihm zufolge sind die Gelder notwendig, um die klinischen Prozesse zu bezahlen, die Labortests und das Plasma. Öffentlich verfügbaren Preislisten zufolge können in den USA zwei Liter Plasma rund 1000 Dollar kosten. Ein Durchlauf mit Biomarkern wäre für rund 3000 Dollar zu haben. Eine Kontrollgruppe mit Placebo gibt es laut Karmazin nicht, weil das unfair wäre, wenn diese Menschen trotzdem zahlen müssten.

Wie ethisch die Ambrosia-Studie ist, hängt auch vom Risiko für die Teilnehmer ab. Obwohl Bluttransfusionen bei Menschen, die sie zum Überleben benötigen, als sicher gelten, gibt es Nebenwirkungen. Dazu gehören Nesselsucht, Lungenverletzungen und sogar tödliche Infektionen. Dobri Kiprov, Leiter der Immuntherapie am California Pacific Medical Center in San Francisco, meint, er habe mehrere Personen getroffen, die Interesse an der Ambrosia-Studie haben. Er versucht, sie davon abzuhalten. "Diese Leute unnötigerweise einer Gefahr auszusetzen, ist einfach nur schrecklich." (bsc)