Am Arktis-Eis herumdoktern

Da Appelle, weniger Emissionen freizusetzen, scheinbar keine Wirkung haben, hat ein US-Wissenschaftler nun eine Klima-Rettungsidee aus der Rubrik "Far out" vorgestellt.

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Die Meeresspiegel steigen, das Eis an den Polkappen schmilzt und Treibhausgase – allen voran CO2 – sorgt für ein Aufheizen der Erde. Dass schnelles, konkretes Handeln gefragt ist, um die Erderwärmung einzudämmen, ist kein Geheimnis. Der Physiker Steven Desch von der Arizona State University hat mit Kollegen zusammen daher einen Ansatz vorgestellt, der sicherlich das Etikett "Far out" verdient hat.

Nach der Idee von Desch sollen mit Windenergie betriebene Pumpen Meerwasser aus den Tiefen des Arktischen Ozeans an die Oberfläche befördern, wo es gefriert und so die Eisschicht verstärkt. Ein Meter Dicke könnte durch die Technik im Verlaufe eines Winters gewonnen werden. Wollte man 10 Prozent der Arktis auf diese Weise unterstützen, sind den Berechnungen Deschs zufolge 10 Millionen Pumpen nötig. Für die gesamte Arktis seien es 100 Millionen Pumpen. Aktuell ist die Eisdecke an vielen Stellen nur zwei bis drei Meter dick.

Die Idee mag praktisch klingen: Der Effekt ist schnell zu sehen. Neben der Vergrößerung der Eisdicke ist es auch denkbar, dass der Meeresspiegel langsamer ansteigt. Und die Eisfläche kann weiterhin Sonnenlicht reflektieren. Aber das soll‘s auch schon gewesen sein. Denn Deschs Ansatz bringt zugleich mehrere fragwürdige Auswirkungen mit sich.

Schon bei der Annahme, sich auf 10 Prozent der Arktis zu konzentrieren, stellt die schiere Zahl von 10 Millionen zu installierenden Pumpen einen harschen Eingriff in das Ökosystem dar. Die Fläche könnte dann einem Industriegebiet gleichen. Das hochgepumpte Wasser mit seinen Nährstoffen und Organismen könnte anderen Lebewesen fehlen. Die Energie für die Pumpen soll von Windenergieanlagen kommen. Auch ihr Aufbau greift in die Natur ein. Aufgrund der extremen Temperaturen könnte zudem nicht auf bestehende Designs zurückgegriffen werden, speziell angefertigte Konstruktionen wären nötig. Das sowie die Produktion der Wasserpumpen lassen die Kosten für das Unterfangen in die Höhe schnellen. Unterm Strich stehen laut Desch 500 Milliarden Dollar pro Jahr über die nächsten zehn Jahre für 10 Prozent der Arktis beziehungsweise 5 Billionen Dollar für die gesamte Arktis. Um die Summen ins Verhältnis zu setzen, führt Desch die Einnahmen der US-Automobilindustrie an, die sich auf 300 Milliarden Dollar belaufen.

Ein anderes Dilemma, das Deschs Idee aufwirft, wird deutlich durch ein Interview mit einem Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Vor rund einem Jahr hatten er und Kollegen berechnet, wie sich die gleiche Idee an der Antarktis auswirken würde. Wie auch in der Antarktis wäre das Heraufpumpen von Wasser in der Arktis ein Projekt für die Ewigkeit. Denn: Einmal begonnen, müsste fortwährend Wasser dem Ozean entzogen werden. Würde man die Pumpen anhalten, stiege der Meeresspiegel wieder an. Und das womöglich schneller als zuvor, da nun auch das zusätzlich verdickte Eis weiter wegschmilzt.

Alles in allem ist es eine Idee, die an einem Symptom herumdoktert. Es wirkt nicht dem globalen Emissionsausstoß entgegen und bringt hingegen selbst noch massive Eingriffe ins Ökosystem mit sich, deren Folgen unabwägbar sind.

(jle)