Strom aus der Straße

Drahtloses Laden während der Fahrt klingt cool. Lässt sich das Reichweitenproblem damit lösen?

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Der US-Konzern Qualcomm hat gemeinsam mit Partnern im Rahmen des EU-Projekts "Fabric" ein System entwickelt, Elektroautos während der Fahrt induktiv zu laden. In der vergangenen Woche wurde es auf einer hundert Meter langen Teststrecke in der Nähe von Paris vorgestellt. Auf den ersten Blick ein Beispiel brillanter Ingenieursarbeit: Innerhalb von nur 50 Millisekunden erkennen die Ladespulen auf der Fahrbahn, wann sich ein entsprechend ausgerüstetes Auto nähert, und lassen ein Magnetfeld mitwandern. Das funktioniert bis zu einem Tempo von 120 km/h und einer Ladeleistung von 20 kW.

Brauchen E-Autos künftig also keine großen Akkupacks mehr, weil sie sich unterwegs Strom aus der Straße ziehen können?

Schön wär’s. Denn erstens reichen die 20 kW gerade, um den Verbrauch eines Autos bei 120 km/h zu kompensieren. Viel Ladeleistung bleibt da nicht übrig. Um auf diese Weise wirklich nennenswerte Reichweite zu gewinnen, müsste die Ladestrecke ungefähr so lang sein wie die Fahrstrecke selbst. Und das würde einen gewaltigen Aufwand erfordern: Mitten in der Fahrbahn muss zunächst ein Betonschacht eingelassen werden, um die Lademodule aufzunehmen. Diese sind etwa so groß wie eine Schreibtischplatte und wiegen 35 Kilogramm. Etwa 10 bis 15 Kilo davon dürfte Kupfer sein.

Alle 25 Meter sind die Module zu einem Segment mit eigener Stromversorgung einschließlich Umrichter zusammengefasst. Diese dezentrale Architektur frisst nicht nur Rohstoffe, sondern auch Wirkungsgrad. Qualcomm beziffert ihn auf rund 80 Prozent. Das ist lausig. Mit drahtlosem Laden im Stillstand, das Qualcomm ebenfalls anbietet, lassen sich Wirkungsgrade von über 90 Prozent erreichen.

An dieser Stelle sollte man noch einmal in Erinnerung rufen, was denn eigentlich der Sinn und Zweck der ganzen E-Mobilität ist: Nämlich effizienter mit Energie umzugehen. Wenn nun aber tonnenweise Kupfer verbuddelt werden muss (dessen Herstellung ja auch mit erheblicher Energie verbunden ist) und ein Fünftel des Stroms zum Teufel gehen, schmilzt der Vorsprung vor Verbrennern dahin. Eine Life-Cycle-Energiebilanz des gesamten Systems hat Qualcomm nicht vorgelegt.

Bleibt die Frage nach dem Geld. Genaue Kosten für die Trasse nennt Qualcomm nicht, dafür sei es noch zu früh. Billig, soviel ist klar, dürfte es jedenfalls nicht werden. Wenn ich mir den Zustand vieler Brücken und Straßen anschaue, frage ich mich, wer das bezahlen soll, wo doch offenbar nicht einmal genug Geld für schlichten Asphalt da ist.

Bei der Frage nach einem Geschäftsmodell druckste Qualcomm bei der Präsentation herum. Dazu sei es noch zu früh. Man könne sich aber vorstellen, dass etwa Restaurants oder Supermärkte Kunden auf ihren Parkplätzen kostenlosen Strom anbieten, so wie heute freies WLAN. Ich bin mir sicher, wäre die ganze Sache kein EU-Projekt, sondern komplett selbstfinanziert, hätten die Beteiligten da deutlich klarere Vorstellungen.

Wobei ich nichts gegen drahtloses Laden im öffentlichen Raum per se sagen möchte. An Ampeln, Bushaltestellen oder Taxispuren kann es durchaus sinnvoll sein, um die Reichweite zu erhöhen oder das Batteriegewicht zu senken. Nur sind dabei hohe Ladeleistungen auf relativ kurzen Strecken bei niedrigen Geschwindigkeiten gefragt. In Braunschweig etwa wurden in einem Projekt gemeinsam mit Bombardier E-Busse mit satten 200 kW induktiv geladen. Qualcomm hingegen hat genau das Gegenteil vorgestellt: Moderate Ladeleistungen für hohe Geschwindigkeiten, die ewig lange Trassen erfordern. (grh)