Vogelzählung aus dem All

Wollen Forscher Tierpopulationen zählen, müssen sie in der Regel so nah wie möglich an ihre Untersuchungsobjekte herankommen. Es geht auch anders.

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Britische Wissenschaftler des in Cambridge ansässigen Polarforschungsprogramms British Antarctic Survey haben indirekt die Erde verlassen, um zwei Albatrosarten zu zählen. Das Team um Peter Fretwell ließ den US-Satelliten DigitalGlobe WorldView-3 für sich arbeiten. Er kreist in einer Höhe von 620 Kilometern um die Erde.

So erhielten die Forscher Aufnahmen von den teilweise schwer zugänglichen Brutgebieten Nördlicher Königsalbatrosse und der Wanderalbatrosse. Die Tiere nisten nur alle zwei Jahre und brüten dann ein einziges Ei aus. Seevögel gehören laut der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) zu den am stärksten gefährdeten Vogelarten.

"Die Tiere auf diese Weise zu zählen ist effektiver und billiger, als ein Boot zu chartern und auf die Klippen zu klettern oder Aufnahmen aus einem Flugzeug zu machen", sagt Fretwell. Das Klettern über die teils steilen und scharfen Klippen sei riskant. Das Flugzeug hingegen könne die Vögel stören und für fliegende Tiere gefährlich sein. Mit Satellitenhilfe haben Forscher zwar schon Eisbären, Pinguine, Wale und Gnus gezählt. Aber noch nie wurde eine komplette Tierpopulation erfasst wie nun im Fall der Königsalbatrosse.

Für ihre Arbeit kam den Forschern eine Gesetzesänderung in den USA zugute. Die neue Verordnung machte im April 2015 höher aufgelöste Satellitenaufnahmen kommerziell zugänglich: Statt 50 Zentimeter beträgt die Auflösung nun 31. Das macht die beiden Albatrosarten, die bis zu 135 Zentimeter groß werden, auf den Aufnahmen gut erkennbar. Sie erscheinen als eine Gruppe von weißen Pixeln vor dem Hintergrund der grünen Wiesen, auf denen sie nisten.

Zunächst prüften die Forscher die Genauigkeit der Satellitenzählung. Dafür verglichen sie die Zahlen einer zu Fuß gut zugänglichen und häufig gezählten Population von Wanderalbatrossen auf Bird Island, einer zur britischen Inselgruppe Südgeorgien gehörenden Insel im Südatlantik, mit den Ergebnissen der Satellitenaufnahmen. Bei den Bildern aus dem All lagen die Forscher im Schnitt etwa um 6,5 Prozent zu hoch. Das liegt Fretwell zufolge daran, dass bei den Satellitenbildern auch Albatrosse erfasst wurden, die nicht auf dieser Insel nisten, sondern vielleicht gerade im Vorbeiflug waren und rasteten. Insgesamt bewertete er das Ergebnis als ziemlich genau.

Inzwischen ließen die Wissenschaftler den Satelliten Aufnahmen von drei der schwer zugänglichen Chatham-Inseln 680 Kilometer östlich von Neuseeland machen. 99 Prozent der weltweit lebenden Königsalbtrosse brüten auf diesen Inseln, das restliche Prozent der Vögel auf dem neuseeländischen Festland.

Die Ergebnisse bereiten den Forschern Sorgen. Denn die Population der Königsalbatrosse ist im Vergleich zur letzten Zählung aus der Brutsaison des Jahres 2009, die auf Luftaufnahmen basiert, deutlich gesunken. Auf zwei der Inseln sank sie um fast 70 Prozent. "Es kann sein, dass es einfach ein schlechtes Brutjahr war für die Vögel. Um das festzustellen, wollen wir sie nun jedes Jahr zählen", sagt Fretwell.

Noch mussten die Wissenschaftler bei der Auswertung der Satellitenbilder selbst mit Hand anlegen. Die Forscher hoffen jedoch, den Prozess per Bilderkennung automatisieren zu können. Derzeit testen sie verschiedene Programme für die Aufgabe.

(bsc)