Niedrig hängende Früchte

Ob es um Elektroautos, öffentlichen Verkehr oder Erneuerbaren Energien geht – immer wieder taucht das „Aber-was-ist-mit“-Argument auf.

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E-Autos haben mittlerweile recht manierliche Reichweiten weit über 100 Kilometer erreicht. Aber was ist mit Firmenvertretern oder meinem Wochenendtrip zum Gardasee?

Die Bahn ist auf der Langstrecke schneller, bequemer und zuverlässiger als jedes Auto. Aber was ist, wenn ich meine Oma auf dem Land besuchen will?

Fahrräder sind das effizienteste innerstädtische Fortbewegungsmittel überhaupt. Aber was ist bei Eis und Schnee, was ist mit körperlich beeinträchtigten Menschen, und was ist mit dem Wocheneinkauf einer Großfamilie?

Wind und Sonne liefern mitunter mehr als die Hälfte des gesamten Strombedarfs. Aber was ist mit den Dunkelflauten im Winter?

Gegenfrage: Was soll schon sein? Wenn’s nicht geht, dann geht’s halt nicht. Dann müssen halt konventionelle Autos, Gaskraftwerke oder was auch immer einspringen. Niemand behauptet, dass sich herkömmliche Technik eins zu eins ersetzen lässt. Es geht doch um ganz etwas anderes – um die niedrig hängenden Früchte.

Zum Beispiel ließen sich schon heute praktisch alle individuellen innerstädtischen Fahrten mit Elektromobilen erledigen. Dazu muss man nicht warten, bis sich irgendwann auf wundersame Weise die Reichweite verdreifacht. Allerdings sind den meisten Leuten Elektroautos als reine Stadt-Vehikel schlicht zu teuer – zu Recht. Wie sich das ändern ließe, ist wieder eine Debatte für sich. Aber es ist wichtig, die Argumente auseinander zu halten: Die Frage ist nicht, ob und wann ein Elektroauto den letzten Außendienstler-TDI überflüssig macht. Sondern darum, wie sich schon jetzt möglichst viele niedrig hängende Früchte ernten lassen.

Das Gleiche gilt auch für den Fahrradverkehr: Natürlich ist es nicht jedermanns Sache, bei Wind und Wetter einen halben Kubikmeter Lebensmittel durch die Gegend zu balancieren. Aber mit besseren Radwegen, mehr Abstellplätzen, fahrradfreundlicheren Ampelschaltungen und ein paar weiteren, relativ unspektakulären Maßnahmen ließen sich schon sehr viele Menschen bei sehr vielen Gelegenheit aufs Rad locken. Wenn sie bei bestimmten Gelegenheiten dann doch wieder das Auto nehmen, dann ist das halt so. Der Umwelt ist jedenfalls mehr damit geholfen, zügig solch niedrig hängende Früchte anzugehen als auf eine alle glücklich machende Universaltechnik zu warten. (grh)