Grenzenlose Freiheit

Wer glaubt, dass Drohnenpiloten sich durch technische Sperren bremsen lassen, ist ziemlich naiv.

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No risk, no fun. Ein Drohnen-Fan hat mit seinem Quadrocopter landende Flugzeuge am Flughafen Tel Aviv aus nächster Nähe gefilmt, und das Video online gestellt. Der Hersteller der Drohne, das chinesische Unternehmen DJI, hat das Verhalten des Mannes in einer Presseerklärung scharf verurteilt.

Interessant an dieser Geschichte ist allerdings nicht nur, dass der Mann so eitel war, sich selbst bei der Aktion zu filmen, und so der Polizei gleich wichtige Hinweise lieferte. Viel spannender finde ich, dass es diesen Vorfall gar nicht hätte geben dürfen. Denn DJI ist der erste Drohnen-Hersteller, der seine Fluggeräte mit einer automatischen Sperre ausstattet – der "No Fly Zone" (NFZ). Eigentlich sollten die Dinger in Sperrzonen – also zum Beispiel in der Nähe von Flughäfen – nicht mal anspringen, geschweige denn fliegen.

Was für Hersteller, Regulierungsbehörden und verantwortungsvolle Hobbyflieger ein wichtiges Sicherheitsfeature ist, ist für Andere eine interessante Herausforderung. Es gibt im Internet dutzendweise Videos mit Anleitungen. Bei älteren Modellen besteht die einfachste Lösung darin, das GPS-Modul abzuklemmen, denn die Sicherheitszonen sind über GPS-Koordinaten definiert. Wenn die Drohne nicht weiß, wo sie eigentlich ist, weiß sie natürlich auch nicht, wo sie eigentlich nicht fliegen dürfte.

Das bringt aber andere Nachteile mit sich. Unter anderem schlägt eine automatische Höhenbegrenzung zu, weil die Maschine glaubt, sie fliege innerhalb eines Gebäudes. Außerdem kann der Copter dann nicht mehr automatisch zu seinem Startpunkt zurück fliegen, falls das Funksignal der Fernsteuerung abreißen sollte.

Moralisch flexible Geschäftsleute wie der russische Anbieter CopterSafe – die Namensgebung ist in diesem Fall nur ironisch zu verstehen – bieten deshalb längst Hard- und Software an, die die Sicherheitssperren umgeht, aber alle anderen Automatikfunktionen weiter laufen lässt.

In seiner Stellungnahme geht DJI nicht direkt auf solche Mods ein, kündigt aber an, durch Firmware-Modifikationen "Sicherheitslücken schließen" zu wollen. Umgekehrt veröffentlichen auch die Russen beständig Updates ihrer Software. Der Hase-und-Igel-Wettlauf zwischen Regulatoren und Drohnen-Herstellern auf der einen Seite und Hackern auf der anderen Seite wird weitergehen. Und ich gehe gerne eine Wette darauf ein, dass die Hacker gewinnen.

Warum? Der Schriftsteller, Blogger und Internet-Aktivist Cory Doctorow hat Ende 2011 auf dem Chaos Communication Congress in Hamburg in seiner Rede vor dem gewarnt, was er den "Kommenden Krieg gegen universelle Computer" nannte.

Damit ist keine Maschinenstürmerei gemeint, sondern ein falsches Verständnis von dem, was Computer eigentlich sind, sagt Doctorow.

Was soll das bedeuten? Immer mehr Geräte unseres Alltags enthalten Computer, sagt Doctorow: Telefone sind kleine Computer, Waschmaschinen enthalten Computer, Musikanlagen, Fernseher... Auch Drohnen enthalten – Überraschung – kleine Computer. Eine Sicherheitsanalyse der Phantom-3-Drohne von DJI zum Beispiel, kommt zu dem Schluss, dass auf dem Ding im Wesentlichen ein leicht modifiziertes Linux läuft. Mit all seinen Vor- und Nachteilen, und natürlich mit seinen Sicherheitslücken.

Das Problem ist allerdings, dass Computer konstruktionsbedingt alle möglichen Programme ausführen können. Der Computer in einer Waschmaschine könnte also auch eine Textverarbeitung laufen lassen. Soll er aber nicht. Also wird er künstlich gedrosselt. Was bei Waschmaschinen logisch und einsichtig ist, wird bei Smartphones schon problematischer. Aus "Sicherheitsgründen" sperren die Hersteller den Zugriff auf viele Funktionen, mit dem Ergebnis, dass der "Jailbreak", das Aufspielen von Software, die diese Sperren aufbricht, zu einer Art Volkssport geworden ist.

"Und man muss kein Science-Fiction-Autor sein, um zu begreifen, warum der Gesetzgeber nervös werden kann beim Gedanken an vom Benutzer modifizierbare Firmware in selbstfahrenden Autos oder an die Begrenzung der Interoperabilität von Luftverkehrs-Controllern oder an all die Dinge, die man mit biotechnischen Assemblern und Sequenzern machen kann", sagt Doctorow.

Aus Sicht der Hersteller, argumentiert er, kann die logische Konsequenz also nur darin bestehen, sämtliche Modifikationen solcher Geräte schlicht verbieten zu lassen. Ich bin sicher, dass die Diskussion auch bei Drohnen früher oder später wieder aufflammen wird.

Solche Verbote sind aber höchst problematisch: Man muss dafür sorgen, dass niemand die eingebauten Sperren analysiert, und technische Informationen über das Innenleben solcher Geräte veröffentlicht. Dann muss man Überwachungssoftware installieren, die das Verhalten des Users permanent beobachtet, und illegale Aktionen verhindert. Und schließlich muss man all diese Maßnahmen so absichern, dass sie nicht von Kriminellen ausgenutzt werden.

Es gibt da nur ein Problem: Alle bisherigen Erfahrungen mit Kopierschutzsystemen zeigen, dass das nicht funktionieren wird. Das ist ein Kampf gegen Windmühlenflügel. Ein Kampf, der nicht nur Innovation und technische Entwicklung behindert, sondern auch die Sicherheit gefährdet und massenhaft Zensur- und Überwachungsinstrumente bereitstellt. (wst)