Metastudie: Fruchtbarkeit bei Männern dramatisch gesunken

Eine israelische Forschergruppe hat fast 200 Studien aus den letzten 40 Jahren analysiert, in denen die Spermienkonzentration bei Männern in westlichen Ländern gemessen wurden. Das Ergebnis sei "erschreckend".

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Dass der Gehalt an Samenzellen im Ejakulat der Männer in den Industrienationen seit Jahrzehnten abnimmt, ist in der Medizin allgemein bekannt. Das wiederum reduziert die natürliche Zeugungsfähigkeit eines Mannes – womöglich so signifikant, dass medizinische Eingriffe wie etwa die Extraktion einzelner Spermien aus dem Hoden notwendig werden, um die Befruchtung dann im Reagenzglas durchführen zu können.

Bislang war jedoch unklar, wie stark die Spermienanzahl, der sogenannte Sperm Count, in der westlichen Welt abgenommen hat. Ein Forscherteam an der medizinischen Hochschule der Hebrew University im israelischen Jerusalem hat dies nun im Rahmen einer Metastudie umfassend untersucht. Dazu wurden insgesamt 185 Studien analysiert, die zwischen den Jahren 1973 und 2011 durchgeführt wurden und die jeweils eine Erfassung der Spermienkonzentration sowie der Gesamtzahl der Samenzellen im Ejakulat enthielten – und das jeweils mit ähnlichen Messmethoden (Spermiogramm) und unter Männern, die zum Studienzeitpunkt nicht als unfruchtbar galten.

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Das Ergebnis, das das Team um den Epidemiologen Hagai Levine nun im Journal "Human Reproduction Update" vorgestellt hat, gilt den Forschern selbst als "erschreckend" – die Reduktion der Zeugungsfähigkeit ist weiter fortgeschritten, als sie erwartet haben. Demnach fiel die Spermienkonzentration in den 38 Jahren des Untersuchungszeitraums um pro Jahr durchschnittlich 1,4 Prozent. Insgesamt ging die Konzentration um mehr als 52 Prozent zurück – von 99 Millionen Samenzellen pro Milliliter Ejakulat im Jahr 1973 auf 47,1 Millionen pro Milliliter 2011. Auch der Sperm Count selbst fiel rasant – und zwar um fast 60 Prozent.

Nach einer Erklärung für die Reduktion der Zeugungsfähigkeit haben die Forscher nicht gesucht. Ihnen ging es zunächst nur darum, möglichst genaue Daten zu Spermienkonzentration und Spermiengesamtzahl zu erhalten. Es handelt sich um die erste Metastudie ihrer Art. Insgesamt 43.000 Männer nahmen an allen Untersuchungen teil, die Levine und sein Team sich vornahmen. Frühere Studien zum Thema waren in Forscherkreisen aufgrund von Ungenauigkeiten kritisiert worden. Dem wollen sich die israelischen Forscher nicht aussetzen, weshalb sie jeweils ganz genau auf die verwendeten Untersuchungsmethoden und Versuchspersonen schauten.

Im Gespräch mit der britischen BBC sagte Levine, besonders überrascht habe ihn, dass der Rückgang der Spermienkonzentration sich weiterhin fortsetze. Studien nach 1995 zeigten sogar noch eine stärkere Abnahme. "Das ist kein Problem der Vergangenheit, das ist ein Problem der Zukunft." Für Männer aus dem Westen lägen die meisten Daten vor, es zeige sich aber anhand kleinerer Studien, dass die reduzierte Zeugungsfähigkeit in ärmeren Ländern nicht so stark ausfalle.

Als mögliche Gründe dafür gab Levine an, dass die Menschen im Westen viel länger der "chemischen Revolution" ausgesetzt seien, inklusive Pestiziden und anderen Schadstoffen. Probleme mit der Zeugungsfähigkeit begännen zumeist im Mutterleib, wo sich die samenproduzierenden Organe fehlerhaft entwickelten. Die Spermienkonzentration habe zudem Vorhersagekraft über den gesamten Gesundheitszustand des Mannes. (bsc)