Java EE auf dem Weg zu Open Source: Chancen und Risiken

Oracle schickt sich an, Java EE der Open-Source-Community zu übergeben. Was sich zunächst nach einer durchweg positiven Entwicklung anhört, bringt auch das eine oder andere Risiko mit sich. Zeit für (m)eine Gegenüberstellung.

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Von
  • Lars Röwekamp

Oracle schickt sich an, Java EE der Open-Source-Community zu übergeben. Was sich zunächst nach einer durchweg positiven Entwicklung anhört, bringt auch das eine oder andere Risiko mit sich. Zeit für (m)eine Gegenüberstellung.

Eigentlich wollte ich mit meinem ersten Blogbeitrag auf heise Developer ja bis zum offiziellen Release von Java EE 8 warten. Geplant war dieses für „End of July 2017“. Mittlerweile sieht es aber so aus, dass die Fertigstellung der Referenzimplementierung noch ein wenig auf sich warten lässt und somit vor der JavaOne im Oktober nicht wirklich mit der neuen Version des Java-Enterprise-Standards zu rechnen ist.

Der Grund warum ich mich trotzdem jetzt (schon) zu Wort melde, ist Oracle’s Ankündigung, mit dem Gedanken zu spielen, Java EE der Open-Source-Community übergeben zu wollen. Dieser mit etlichen Konditionalen versehene Satz, birgt nicht wenig Diskussionsstoff in sich. „Ist doch alles in den letzten Tagen schon gesagt worden“, wird sich jetzt der eine oder andere Leser denken. Das stimmt. Daher möchte ich auch weniger auf die Fakten eingehen als vielmehr eine persönliche Abschätzung der Chancen und Risiken des von Oracle geplanten Schritts abgeben.

Aber zunächst ein paar Worte zu meiner Person. Ich, Lars Röwekamp, werde zukünftig – gemeinsam mit Thorben Janssen – das Thema Java auf dem heise-Developer Blog in der Rubrik „Neuigkeiten von der Insel“ vertreten. Damit trete ich in die – zugegebenermaßen riesigen – Fußstapfen von Markus Eisle, der sich aus beruflichen Gründen als heise-Developer-Blogger zurückgezogen hat. Im Rahmen meines Jobs (CIO New Technologies, open knowledge GmbH) komme ich täglich mit neuen Trends im Java-Umfeld in Berührung. Mein Ziel ist es, die vielen, vielen positiven aber auch kritischen Eindrücke aus Projekten aufzugreifen und im Rahmen des Blogs zu teilen.

Aber zurück zum Thema: Oracle möchte also Java EE der Open-Source-Community übergeben. Ein Traum wird wahr. Damit aus diesem Traum aber kein Alptraum wird, gilt es einige Regeln zu beachten. Denn nicht alles was Open-Source ist, wird auch automatisch erfolgreich(er). Dies gilt insbesondere für Enterprise-Projekte, deren Fortschritt am Ende –nicht nur aber auch - von den kommerziellen Interessen der Beteiligten abhängig ist.

Positiv zu bewerten ist, dass sich mit einer Öffnung von Java EE die Machtverhältnisse verschieben werden und es so endlich zu einer echten Chancengleichheit aller Beteiligten kommen kann. Während sich bisher in dem JSR involvierte Unternehmen und Einzelpersonen den Wünschen von Oracle mehr oder minder unterordnen mussten, wäre zukünftig ein faires Miteinander möglich.

Wie wichtig das nicht nur für die Application-Server-Hersteller, sondern für die gesamte Java-EE-Community sein kann, haben die nahezu willkürlich anmutenden Richtungswechsel von Oracle innerhalb der aktuellen Java-EE-8-Spezifikation gezeigt. Ein gleichberechtigtes Mitspracherecht würde sicherlich einen nicht zu vernachlässigen Motivationsschub aller Beteiligten mit sich bringen, wie sich am positiven Beispiel der MicroProfile.io-Initiative gezeigt hat.

Java EE als Open-Source-Variante kann aber nur funktionieren, wenn Oracle bereit, ist das gesamte Java-EE-Paket zu übergeben. Es geht also nicht nur um die Spezifikation, sondern auch um die Referenzimplementierung und – und hier wird es wichtig – um das TCK, also das Technology Compability Kit. Denn nur, wenn die Test-Suite offengelegt wird, entsteht eine echte Chancengleichheit für alle Server-Hersteller. Diese wiederum ist eine wesentliche Motivation und Grundlage für deren zeitliches und finanzielles Engagement. Natürlich sind auch Einzelpersonen an der inhaltlichen Weiterentwicklung von Java EE beteiligt. Realistisch gesehen steht und fällt das gesamte Modell aber am Ende mit dem Commitment der großen Player. Und die wollen nun einmal nicht nur Gutes tun, sondern Geld verdienen.

Ebenfalls positiv zu bewerten ist die Tatsache, dass ein deutlich agileres Vorgehen sowie ein flexibleres Lizenzmodell zu erwarten wäre. Richtig organisiert würde die Community die zukünftige Ausrichtung auf Basis des realen Bedarfs vorgeben und nicht mehr nur ein Unternehmen auf Basis seines eigenen Geschäftsmodells. Nur was bedeutet in diesem Kontext „richtig organisiert“? Oder anders gefragt, was wäre die richtige Open-Source-Commnuity für Java EE? Top Kandidaten sind sicherlich die Apache Software Foundation und die Eclipse Foundation. Interessant dürften hier die unterschiedlichen Lizenzmodelle werden.

Nicht ganz klar ist derzeit, inwieweit sich Oracle auch zukünftig weiter an der Entwicklung von Java EE beteiligen wird. Zwar gibt es ein klares Comittment, dass man auch weiterhin den kommerziellen WebLogic Server supporten und die Oracle Cloud Java Services anbieten wird. Inwieweit man sich aber aktiv an der Gestaltung der Zukunft von Java EE beteiligen möchte wurde bisher nicht kommentiert. Aber wäre ein partieller Rückzug von Oracle ein Problem? Ganz pragmatisch gesprochen würden zunächst einmal etliche erfahrene Entwickler fehlen. Dies ließe sich aber mittelfristig sicherlich kompensieren. Problematisch würde es werden, wenn Oracle einen eigenen Fork eröffnet und damit kommerziell erfolgreich wäre. Dies wäre ein Signal in die falsche Richtung und könnte Nachahmer motivieren, einen ähnlichen Schritt zu gehen.

Auch wenn zukünftig nicht mehr ein Player sondern mehrere die Zukunft von Java EE bestimmen könnten, bedeutet dies noch nicht zwingend, dass man auch an einem Strang ziehen wird. Dass ein offener und konstruktiver Umgang miteinander nicht immer ganz einfach ist, hat sich am Beispiel der Java EE Guardians gezeigt. Offiziell als „Bewacher“ des wahren Java EE Gedankens angetreten, konnte man sich zumindest in der Anfangsphase nicht des Gedankens erwehren, dass sich hier eine Anti-Oracle-Liga mit einer relativ aggressiven Außendarstellung gegründet hatte. Mittlerweile hat sich – und das ist wiederum sehr positiv zu bewerten – die Initiative intern konsolidiert und liefert so der Java-EE-Community einen echten Mehrwert.

In Summe sehe ich deutlich mehr Chancen als Risiken für die Öffnung von Java EE hin zu einer Open-Source-Community. Es geht für alle Beteiligten um viel, sehr viel. Sowohl Serverhersteller als auch Projektteams haben Unmengen an Zeit und Geld in die Hoffnung Java EE investiert. Diese Investition gilt es, für die Zukunft zu sichern. Die Chancen, dass man einen gemeinsamen Weg findet stehen gut. ()