Noch gesund oder schon giftig?

Bisher sind sichere Medikamente in Europa die Regel. Das Buch "Pharma-Crime" aber zeigt, wie viele minderwertige bis schädliche Präparate im Umlauf sind.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Inge Wünnenberg

Fast jeder weiß, dass Kleidung heute beinahe ausschließlich im Ausland gefertigt wird. Auch die umweltschädlichen, menschenfeindlichen Bedingungen der Produktion sind bekannt. Wem aber ist bewusst, dass die Herstellung von Medikamenten ebenfalls zu 80 Prozent vor allem nach Indien und China ausgelagert ist? Der Frage, was das für deren Qualität bedeutet, sind der Filmemacher Daniel Harrich und seine Mutter Danuta Harrich-Zandberg in ihrem verdienstvollen Buch "Pharma-Crime" nachgegangen.

Der informative Band entstand parallel zu Harrichs Dokumentation "Gefährliche Medikamente" und seinem Thriller "Gift", die kürzlich im Fernsehen zu sehen waren. Darin zeigen die Autoren, wie weltweit zuhauf minderwertige, wirkungslose und sogar schädliche Medikamente in Umlauf geraten.

Der Leser erfährt, dass gar nicht selten lebenswichtige Medikamente das Ziel von Plagiaten werden. Als Fälscher entpuppen sich jedoch nicht nur Mafiabanden oder Kriminelle außerhalb des Gesundheitssystems. Die Autoren zeigen, wie fließend die Übergänge sind: So gibt es offensichtlich Fabriken in Asien, die in erster Linie für den westlichen Markt produzieren, aber auch Arzneien in schlechterer Qualität für die Bewohner des eigenen Landes oder Kontinents herstellen.

Immer wieder verlassen zudem fehlerhafte, gefährliche Produkte jene Fabriken, die bisher nur unzureichend von den westlichen Behörden überprüft werden. Viel Aufmerksamkeit zog vor zehn Jahren der Fall des Blutverdünners Heparin auf sich, der aus der Schleimhaut von Schweinedärmen gewonnen wird. Das Mittel war mit einem synthetischen Stoff gestreckt worden, da aufgrund einer Epidemie Schweine zeitweise Mangelware waren. Das gepanschte Heparin führte bei vielen Patienten – auch hierzulande – zu Allergien. In den USA kam es zu 88 Todesfällen. Doch am Herstellungsweg scheint sich seither kaum etwas geändert zu haben. Erst dieses Frühjahr mussten in Deutschland 200.000 Ampullen Heparin zurückgerufen werden, weil das Mittel nicht wirksam genug war.

Der Band zeigt anhand vieler Beispiele, dass dies keine Einzelfälle sind. So ist der US-Musiker Prince der Obduktion zufolge 2016 an einer Überdosis Fentanyl gestorben. Ob er die gefährliche Substanz wissentlich eingenommen hatte, ist nicht bekannt. Bei ihm zu Hause wurde jedoch eine fentanylhaltige Fälschung des Opioids Hydrocodon gefunden. Bis heute ist offen, ob er das Präparat von einer Apotheke erhalten hat.

Deshalb raten die Autoren den Verbrauchern, skeptisch zu sein. Sie sollen nachfragen, wenn Farbe, Form oder Verpackung der Medizin plötzlich anders ist, wenn der Beipackzettel fehlt oder die Haltbarkeit abgelaufen ist.

Danuta Harrich-Zandberg, Daniel Harrich: Pharma-Crime. Kopiert, gepanscht, verfälscht — Warum unsere Medikamente nicht mehr sicher sind, Heyne Verlag, 272 Seiten, 16,99 Euro (E-Book 13,99 Euro) (bsc)