Im Zweifel für den Angeklagten

Christoph Klein muss sich für seine Gentherapie-Studie zur Behandlung einer seltenen Krankheit rechtfertigen. Die Kommission der LMU München sprach den Direktor des "Haunerschen Kinderspitals" indes von jeglichem Fehlverhalten frei.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Drei Kinder sind im Verlauf einer Studie gestorben, die der Kinderarzt Christoph Klein 2006 an der "Medizinischen Hochschule Hannover" startete und später nach seinem Wechsel an die "Ludwig Maximilian Universität München" an der neuen Wirkungsstätte beendete. Zehn Kinder sind insgesamt in die Studie aufgenommen worden, die mit einer experimentellen und neuartigen Gentherapie das Wiskott-Aldrich-Syndrom (WAS) heilen wollte. Die seltene Erbkrankheit schwächt das Immunsystem der betroffenen Jungen und reduziert unbehandelt die Lebenserwartung auf rund zehn Jahre.

In seinem Bericht, veröffentlicht auf der Webseite des "Haunerschen Kinderspitals", legt Klein die Hintergründe der Studie, aber auch seine Beweggründe vor. Vor allem aber sein Urteil über die damaligen Möglichkeiten einer Stammzelltherapie: "Die Transplantation von allogenen Blutstammzellen wurde und wird, nicht zuletzt in Ermangelung eines anderen kurativ ausgerichteten Therapieverfahrens, zwar allgemein praktiziert. Dieses Verfahren kann aber kaum als ein akzeptabler Behandlungsstandard angesehen werden, da 13–48% aller Patienten an der Behandlung sterben. Die Legitimität seiner Anwendung beruht vor allem auf seiner derzeitigen Alleinstellung als kurativer Behandlungsansatz."

Auf dieser Basis kann man heute vielleicht nachvollziehen, dass Klein eine neue Therapie entwickeln wollte. Für Gentherapien gibt es inzwischen auch gut funktionierende Beispiele. Damals aber zeichnete sich ab, dass Stammzellgentherapieverfahren der ersten Generation – auf der Basis von retroviralen Vektoren – in Paris und London zur Entwicklung von Leukämien geführt hatten. Andererseits hätten die Ergebnisse der ADA-SCID-Studie in Mailand, in der die gleiche Generation von viralen Vektoren wie in Kleins Gentherapie eingesetzt worden sei, keine solchen "Komplikationen erkennen lassen", schreibt der heutige Direktor des "Dr. von Haunerschen Kinderspitals".

Dass Klein die Studie trotz des Krebsrisikos für die Kinder durchführte, warf ihm das Magazin der "Süddeutschen Zeitung" im Frühjahr 2016 in einem ausführlichen Artikel vor. Dort heißt es: "Daher steht gegen Klein der Vorwurf im Raum, er habe Kinder einer experimentellen Gentherapie unterzogen, die möglicherweise mit einer Standardtherapie hätten behandelt werden können." Natürlich wissen wir heute viel mehr, als man vor mehr als zehn Jahren wusste. Außerdem muss man Klein zugute halten, dass sich die Stammzelltherapie in der Zwischenzeit entwickelt und verbessert hat.

Was man dem Mediziner aber vielleicht vorwerfen kann, ist seine mangelnde Ungeduld. Er schreibt selbst: "Für die WAS-Gentherapie war angesichts dieser Befunde zu entscheiden, ob auf die Entwicklung anderer Vektorsysteme gewartet oder die WAS-Gentherapie mit den vorhandenen Vektoren durchgeführt werden sollte." Klein wollte sicherlich helfen, aber wahrscheinlich trieb ihn auch ein gewisser wissenschaftlicher Ehrgeiz. Die Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft der Medizinischen Fakultät der LMU München, die aufgrund der Anschuldigungen im Artikel der "Süddeutschen Zeitung" einberufen worden war, legte jedenfalls jetzt ihren Abschlussbericht vor: Sie kommt zu dem Ergebnis, dass "kein Anhalt" gefunden werden konnte,"dass Prof. Dr. Christoph Klein ein wissenschaftliches, ärztliches, rechtliches oder ethisches Fehlverhalten vorzuwerfen sei". Der Bericht der Kollegen von der "Medizinischen Hochschule Hannover" steht allerdings noch aus. (inwu)