Start-ups: Selbst die Besten straucheln

Viele aussichtsreiche Gründer stranden im heutigen Innovations-Ökosystem.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Ilan Gur

Gur ist der Gründungsdirektor von Cyclotron Road, einem Technologie-Inkubator in Berkeley.

Ich kenne einen Innovator – nennen wir ihn Tom –, der mehr als zehn Jahre lang an einem weltweit führenden Forschungs-institut ausgebildet wurde. Als Experte für Materialwissenschaft und Maschinenbau hat er ein neues Verfahren entwickelt, Halbleiter für die Stromversorgung von Geräten herzustellen. Es könnte eine neue Generation von Lampen, Elektroautos, erneuerbaren Energiequellen oder Verteidigungsanwendungen ermöglichen.

8/2017

Nach vielversprechenden Ergebnissen und begeistertem Feedback von Branchenexperten war er bereit, seine Technologie auf den Markt zu bringen. Aber wie?

Ich habe Tom vor eineinhalb Jahren getroffen, als er sich bei meinem Entrepreneur-Forschungsprogramm namens Cyclotron Road bewarb. Es unterstützt Wissenschaftler dabei, Produkte zu entwickeln, die auf Forschung in den Bereichen Materialwissenschaft, Chemie oder Physik basieren – was wir "harte Technologie" nennen. Jedes Jahr erhalten wir über hundert Bewerbungen aus aller Welt.

Toms Geschichte ist typisch. Er gründete ein Start-up, stellte aber schnell fest, dass sein Ansatz privaten Investoren zu spekulativ war. Wäre Tom ein Software-Innovator, könnte er in ein paar Monaten mit wenig mehr als einem Laptop einen Prototyp entwickeln und testen. Aber für Halbleitertechnik benötigt er hochwertige Ausrüstung wie Spektrometer und Elektronenmikroskope. Außerdem braucht er Zeit. Einen Durchbruch in der Halbleiterbranche auf den Markt zu bringen, kann Jahre dauern.

Unglücklicherweise überstieg die Nachfrage qualifizierter Bewerber unsere Kapazitäten, und wir mussten Tom wegschicken. Im Februar schickte er mir eine E-Mail. Nachdem er sogar sein privates Bankkonto für sein Start-up angezapft hatte, wechselte er die Richtung. Er entschied sich, in die Welt der Finanzen einzutreten, und fragte mich, ob ich ihn einem meiner Kontakte bei einem Hedgefonds vorstellen könne. Ich war traurig, aber nicht überrascht.

Das heutige Forschungs-Ökosystem ist nicht für Inno-vatoren wie Tom gemacht. Deren Projekte sind zu anwendungsnah für akademische Labore, die sich eng auf wissenschaftliche Entdeckungen fokussieren. Und private Geldgeber können ihre Investitionen in teure Forschung, die noch kein klares kommerzielles Potenzial hat, nicht rechtfertigen. Bei dieser Lücke straucheln selbst die besten Innovatoren. Viele fragen sich: "Warum soll ich mir das antun?"

Wer wollte ihnen daraus einen Vorwurf machen? Und wie halten wir die Toms dieser Welt bei der Stange? Wir müssen es besser hinbekommen, die Gründung von wissenschaftsbasierten Start-ups anzuregen. Frei vom Druck akademischer Publikationen und geschäftlicher Quartalszahlen können solche Start-ups mächtige Vehikel sein, "harte" Technologie auf den Markt zu bringen. Sie verbringen oft Jahre der Forschung damit, ein erstes Produkt zu entwickeln. Und obwohl sie einige der größten technischen Umbrüche der jüngeren Geschichte vorangetrieben haben, bekommen kleine Unternehmen nur einen kleinen Teil der staatlichen Forschungsförderung.

Die Gesellschaft steht im kommenden Jahrhundert vor enormen Herausforderungen in Bereichen wie Energie, Wasser, Ernährung und Gesundheit. Wir müssen neue Wege finden, unsere besten Wissenschaftler und Ingenieure dabei zu unterstützen, ihre Entdeckungen in kommerziell brauchbare Produkte zu verwandeln. Davon hängt die Lösung dieser Herausforderungen ab.

(bsc)