Gefährliche Süße

Die EU hat dem Import von Zuckersirup ihre Tore geöffnet. Aber der Stoff macht nicht nur dem heimischen Haushaltszucker Konkurrenz, er ist auch gefährlich.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Pünktlich zum Welternährungstag Mitte Oktober verkündete die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass die Zahl der übergewichtigen Kinder in den vergangenen vierzig Jahren stark gestiegen sei. Waren 1975 noch weniger als ein Prozent der Mädchen und Jungen weltweit zu schwer, sind es heute fast sechs Prozent der Mädchen und acht Prozent der Jungen. 2016 waren das insgesamt 124 Millionen Kinder: "Im Jahr 2022 wird die Welt mehr fettleibige Kinder haben als untergewichtige", warnt daher die WHO.

Da ist es zusätzlich kontraproduktiv, dass sich die europäischen Gremien im Zuge der Reform der Agrarpolitik darauf verständigt hatten, die Quotenregelung für Zucker und Isoglucose zum 1. Oktober 2017 auslaufen zu lassen. Nun befürchten laut der Webseite der Pharmazeutischen Zeitung die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) und die Deutsche Diabetes-Hilfe eine vermehrte Verwendung von billigem, importiertem Zuckersirup hierzulande. Das Fructose-Glucose-Gemisch lässt sich einfach und obendrein preisgünstig aus Mais- und Weizenstärke herstellen, während der Haushaltszucker Saccharose zum Großteil aus der heimischen und europäischen Zuckerrübenproduktion stammt.

Vor allem aber bringt die Verwendung von Fructose im Gegensatz zum Haushaltszucker viele Nachteile mit sich: Die Mengen aus Obst und Gemüse, wo der Einfachzucker natürlicherweise vorkommt, kann der Mensch noch gut bewältigen. Aber mit der Verarbeitung von größeren Mengen aus Nahrungsmitteln wie Süßgetränken, Fertigprodukten und Süßig­keiten tut sich der menschliche Organismus schwer, zumal es auch nicht zu einem natürlichen Sättigungsgefühl kommt. Zu viel Fructose kann außerdem zu einer Verfettung der Leber führen.

Der Pharmazeutischen Zeitung zufolge könnte Zucker ohnehin eine viel größere Rolle bei Übergewicht spielen, als lange Zeit angenommen wurde. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel, dass – wie Wikipedia berichtet – in den USA "High Fructose Corn Syrup" vor allem in Softdrinks eingesetzt wird, wobei der Fructosegehalt auf bis zu 90 Prozent gesteigert werde. Das sei für die Hersteller besonders kostengünstig, weil der Maisanbau in den Vereinigten Staaten subventioniert werde.

Nun ist also wohl künftig noch mehr Aufklärung gefragt. Viele Forschungsergebnisse und epidemiologische Daten deuteten auf eine Verbindung zwischen zugesetztem Zucker und der Entwicklung von Adipositas, Fettlebererkrankung, Fettstoffwechselstörungen, Insulinresistenz, Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, metabolischem Syndrom und erhöhtem Harnsäurespiegel hin, schreibt die Pharmazeutische Zeitung.

Allerdings lässt sich gegen die Lobby der Zuckerindustrie offensichtlich nur schwer ankämpfen. Das demonstriert etwa die dürftige Studienlage zu dem Thema, obwohl die Entwicklung so eindeutig zu sein scheint: Immerhin nimmt nicht nur die Zahl der fettleibigen Kinder zu. Der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zufolge sind in Deutschland ebenfalls 59 Prozent der Männer und 37 Prozent der Frauen übergewichtig. (inwu)