Warnung vor dem Biohacking

Nicht alles, was machbar ist, scheint sinnvoll zu sein. Jüngst setzte sich der amerikanische Biohacker Josiah Zayner vor laufender Kamera eine Gentherapie-Spritze. Das bringt allerdings weder die Forschung noch die Debatte voran.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Es ist nicht neu, dass Wissenschaftler einen neuen Wirkstoff oder eine innovative Therapie an sich selbst erproben. 1929 etwa demonstrierte der deutsche Arzt Werner Forßmann, wie sich ein Herzkatheter für Diagnosen legen lasse und begab sich anschließend zu Fuß zum Röntgengerät, um seinen Erfolg zu dokumentieren. Zunächst blieb ihm aber die wissenschaftliche Anerkennung versagt, erst 1956 erhielt Forßmann für seine Entdeckung den Nobelpreis. Mit dieser Auszeichnung geehrt wurde auch Barry Marshall, der 1984 herausfand, dass Helicobacter-pylori-Bakterien oftmals die Ursache für Magengeschwüre sind. Auch der Australier stieß zunächst auf Widerspruch und trank deshalb ein Glas voll Bakterien. Seine Theorie bewies die schwere Gastritis, die er kurz darauf entwickelte.

Bahnbrechende Experimente wie diese kann man dennoch als äußerst riskant kritisieren. Zumal nicht alle Unternehmen dieser Art von wissenschaftlichem Erfolg gekrönt waren. Nicht selten fügten sich die Probanden ernsthaften Schaden zu. Die vielfache Begeisterung für solch spektakuläre Selbstversuche ist trotzdem bis heute ungebrochen. In jüngster Zeit wird danach getrachtet, den Köper durch Implantate mit mehr Möglichkeiten auszustatten und zu verbessern. Dafür werden zum Beispiel Magnete in die Fingerkuppen eingesetzt oder Chips zur Authentifizierung unter die Haut gespritzt.

Ein ganz neues Spielfeld scheint das Genediting-Verfahren CRISR zu eröffnen, wie jetzt das britische Magazin New Scientist auf seiner Webseite berichtet: Der Biochemiker Josiah Zayner tat sich kürzlich damit hervor, dass er einen kleinen Teil seines Körpers quasi live einer Gentherapie unterzog. Dafür zückte er während eines Facebook-Streams Ampulle und Spritze. Anschließend injizierte er sich auf einer Biotechnologie-Konferenz in San Francisco eine Lösung, die das für die Bildung von Myostatin zuständige Gen in den erreichten Zellen zerstören würde. Dieses Protein verhindert ein unkontrolliertes Muskelwachstum. Würde also das Erbmaterial in einem Teil der Zellen in einem Muskelgewebe dergestalt verändert, könnte das zu größeren Muskeln führen.

Doch Zayner, dem Gründer des US-Biotech-Start-ups Odin, geht es um etwas anderes: "Zum ersten Mal in der Geschichte sind wir nicht länger die Sklaven unseres Erbmaterials", begründet er seinen Selbstversuch. Der promovierte Biohacker, der einige Zeit im Mars-Programm der Nasa gearbeitet hat, verfolgt quasi einen basisdemokratischen Ansatz. "Was wir versuchen, ist Gentechnik in die Hände der Verbraucher zu legen und sie damit machen lassen, was sie wollen", sagte er im Gespräch mit dem kanadischen Radio.

Das hört sich wunderbar liberal an. Tatsache ist, dass TR-Autor Jens Lubbadeh für seinen Artikel im Maiheft 2017 ein "DIY Bacterial Gene Engineering CRISPR Kit" von Zayners Firma Odin in einem wissenschaftlichen Labor getestet hat und nun davor warnt. Denn für den Hausgebrauch sind diese Experimentierkästen in Deutschland ohnehin nicht zugelassen. Mehr noch: Wer erwischt wird, dem droht ein saftiges Bußgeld von bis zu 50.000 Euro. Und wer gentechnisch veränderte Organismen freisetzt, kann sogar eine Haftstrafe erhalten. Also hierzulande ist da gar nichts mit "easy going". Zwar mag die Handhabung der Technik "kinderleicht" sein, aber so das richtige Kinderspielzeug sind genveränderte Bakterien und potenzielle Krankheitserreger wohl doch nicht. Und etwas zu propagieren, nur weil es machbar ist, aber nicht einmal pro forma durch die höheren Weihen der Wissenschaft geadelt und legitimiert ist, scheint ein wenig überzeugender Standpunkt zu sein. Vielleicht sind da doch eher ganz persönliche und gar nicht so hehre Motive im Spiel. (inwu)