Backup-Fahrer für autonome Autos

Ein Start-up im Silicon Valley glaubt nicht, dass Fahrzeuge in Zukunft komplett maschinell kontrolliert werden können. Helfen soll eine Fernsteuerung.

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Von
  • Rachel Metz
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Das Auto mit dem leeren Fahrersitz fährt langsam vor. Es ist zwar kein vollständig autonomes Fahrzeug, doch derjenige, der es steuert, sitzt 870 Kilometer entfernt im kalifornischen Mountain View.

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Das Gefährt gehört einem Start-up namens Phantom Auto, das an einem Verfahren arbeitet, mit dem menschliche Fahrer aus der Ferne kurz das Steuer autonomer Autos übernehmen – und zwar immer dann, wenn diese in Situationen geraten, mit denen sie (noch) nicht umgehen können.

Große Technikfirmen und Autohersteller haben viel Geld investiert, um das selbstfahrende Auto zu perfektionieren. Die Fahrzeuge versprechen weniger Staus und weniger Unfälle und für die Unternehmen, die sich auf dem Markt durchsetzen, natürlich auch viel Geld. Autonome Autos kommen aber bislang nur langsam auf öffentliches Straßenland – und sie müssen noch deutlich besser werden. Dazu gehören etwa die (weitgehend) perfekte Erfassung der Umwelt und ein genaues algorithmisches Verständnis dafür, wie mit anderen Fahrzeugen und Personen umzugehen ist.

Phantom Auto will den Sektor voranbringen, indem es sich um sogenannte Edge Cases kümmert – also eigentlich selten vorkommende Situationen, mit denen autonome Fahrzeuge bislang nur schwer umgehen können, sei es sehr schlechtes Wetter oder die Einordnung noch unbekannter Objekte. Phantom Auto ist nicht allein mit seiner Idee – auch der japanische Konzern Nissan bastelt an einer "Teleoperation" für seine Autos.

Das Start-up beschäftigt "Fernfahrer", die speziell für ihren Einsatz trainiert wurden. Sie sollen jeweils nur kurze Distanzen übernehmen, etwa Hundert Meter, um um ein Hindernis herumzukurven. Danach übernimmt wieder der Computer. Schneller als 40 km/h dürfen sie dabei derzeit nicht fahren.

Shai Magzimof, der Chef und Mitbegründer von Phantom Auto, sagt, dass die Technik der Firma funktioniert, indem sie verschiedene Mobilfunknetze über ein sogenanntes Bonding nutzt. Dabei werden in den USA die Anbieter AT&T, Verizon und T-Mobile kombiniert, um eine schnelle, verlässliche Verbindung zu schaffen, die es einem Operateur aus der Ferne realistisch erlaubt, ein Auto aus einer Entfernung von vielen Hundert Kilometern in Echtzeit zu übernehmen.

Wie sich das anfühlt, kann man in einem Prototypfahrzeug erleben, das Phantom Auto Technology Review kürzlich demonstrierte. Dabei saßen neben der Reporterin auch noch drei Mitarbeiter der Firma im Fahrzeug, das von einem Ingenieur in Mountain View für ein paar Blocks ferngesteuert wurde.

Im Büro von Ben Shukman stehen drei Computerbildschirme und ein Gaming-Setup, das aus einem Lenkrad und Pedalen besteht. Der Ingenieur fuhr das Auto in eine vielbesuchte Tankstelle, dann aus dieser heraus und überquerte dann mehrere Spuren mit Verkehr, so dass keine Umwege gefahren werden mussten.

Ganz perfekt lief das noch nicht. So fuhr Shukman vergleichsweise langsam und vorsichtig, was die Fahrgäste schon etwas nervös machte – insbesondere in der dunklen, regnerischen Nacht mit entsprechend viel Verkehr. Auch die Umwelt kam mit der Fernsteuerung noch nicht ganz zurecht: Bei der Rückkehr zum Ausgangspunkt hupte das nachfolgende Fahrzeug, weil nicht schnell genug an den Straßenrand gefahren wurde. Schließlich übernahm dann doch ein menschlicher Fahrer – und zwar einer, der vor Ort war.

(bsc)