Tabubruch im Kino

Die Menstruation gehört in Indien zu den Tabus. Umso verblüffender ist es, dass dort jetzt der Film "Padman" in die Kinos kommt. Das Epos handelt von einem Mann, der eine billige Maschine zur Herstellung von Binden erfand.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Inge Wünnenberg

Eine Geschichte, wie sie das Leben schrieb. Trotzdem ist es kaum zu glauben, dass sie sich erst in den vergangenen zwanzig Jahren abgespielt hat: 1998 heiratete der indische Schweißer Arunachalam Muruganantham. Bald darauf stellte er jedoch fest, dass seine Frau heimlich Stofffetzen sammelte. Sie benutzte die Flicken während der Menstruation anstelle von Binden, denn die üblichen Hygieneartikel sind für weit mehr als achtzig Prozent der indischen Frauen zu teuer.

Muruganantham wollte seiner Gattin helfen. Deshalb begann er in seiner Freizeit, eine Maschine zu konstruieren, die erschwingliche Binden herstellen sollte. Doch schon bald weigerten sich seine Frau und seine Schwester, die von ihm gefertigten Binden auszuprobieren. Mehr noch: Über sein Projekt entfremdeten sich sowohl seine Frau als auch seine Mutter von dem Schweißer. Am Ende ersann Muruganantham – nun ganz auf sich gestellt – eine skurrile Konstruktion, die ihm erlaubte, die Binden selbst zu testen.

Doch schließlich wurde sein Einsatz belohnt. In der Mitte der Nullerjahre hatte der 1962 geborene Mann nicht nur ein günstiges Hygieneprodukt entwickelt, sondern auch eine preiswerte Maschine. Für einen Bruchteil der Kosten einer Industrieanlage verkauft Muruganantham die Maschinen inzwischen über Selbsthilfegruppen oder Nichtregierungsorganisationen direkt an Frauen auf dem Land. Dort liefern die Maschinen nicht nur günstige Binden, sondern versorgen einige Frauen sogar mit einem Arbeitsplatz. Muruganantham, der seine Patente bewusst nicht veräußerte, plant nun, seine Maschinen weltweit zu verkaufen, um auch Frauen außerhalb Indiens zu helfen.

Doch so märchenhaft sich diese Geschichte auch liest – den Schweißer hätte das Tabuthema "Menstruation" bald das Lebensglück gekostet. Mittlerweile lebt er wieder mit seiner Frau zusammen, aber während der Arbeit an seiner Maschine hielten ihn viele für krank, pervers oder verrückt. Umso beeindruckender ist es, dass sich Bollywood inzwischen des Stoffes angenommen hat. Unter dem Titel "Padman" wird der Spielfilm Mitte Februar nicht nur in Indien, sondern auch in Deutschland ins Kino kommen.

Wobei die Produktion vor allem für Murugananthams Heimatland eine Herausforderung ist. Denn bis heute sind menstruierende Frauen und Mädchen, wie auf der Internet-Plattform "The Conversation" nachzulesen ist, mit Tabus und Stigmata konfrontiert. Sie dürfen zum Beispiel an den Tagen ihrer "Periode" weder Menschen noch die Nahrungsmittel in der Küche berühren. Da bleibt nur zu hoffen, dass ein Epos in Bollywood-Machart dazu beiträgt, die Gesellschaft allmählich zu ändern. Immerhin ist die Reichweite des Kinos in Indien immens: Rund 2,2 Milliarden Tickets wurden dort 2016 vekauft. (inwu)