Intelligente Verkehrsalternativen für unsere Städte

Auch wer Fahrverbote vehement ablehnt muss anerkennen: Die Gefahr für unsere Städte besteht nicht in zu wenig Autoverkehr, sondern in zu viel. Vielleicht kommt aus China ja eine Alternative.

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Willkommen in Absurdistan: Das Bundesverwaltungsgericht muss deutsche Stadtverwaltungen per Gerichtsurteil dazu zwingen, sich an geltendes Recht zu halten. Was es nun getan hat: Das Bundesverwaltungsgericht hat beschlossen, dass Städte Diesel-Fahrverbote verhängen dürfen. Für die einen eine Katastrophe, für die Anderen ein längst überfälliger Schritt.

Natürlich wollen die Städte erstmal keine Fahrverbote verhängen. Denn Fahrverbote würde ja "die Innenstädte als Lebensadern der Kommunen gefährden", wie der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, so wunderbar feinfühlig formulierte.

Mir kommen fast die Tränen. Wenn die Städte und Gemeinden in Deutschland Patienten wären und ich ein Arzt, würde ich ihnen keine zwei Jahre mehr geben. Die Lebensadern deutscher Städte sind seit Jahren verstopft und vergiftet. Die Gefahr geht nicht von zu wenig Autoverkehr in den Städten aus, sondern von zu viel. Eine nüchterne Kosten-Nutzen-Rechnung würde schnell zu diesem Resultat führen - wenn man dieses Resultat denn sehen wollte.

Ich kann ja verstehen, dass es Menschen gibt, die keine Lust auf öffentlichen Nahverkehr haben. Besonders nicht zu Stoßzeiten. Aber die Wahl kann doch nicht nur zwischen einem ungenügend ausgebauten Nahverkehr und einem hochsubventionierten Individualverkehr zu bestehen, der noch dazu dabei ist, an sich selbst zu ersticken. Es muss doch intelligente Alternativen für den Verkehr in Städten geben.

Vielleicht kommt ja Hilfe aus China. Aus China? Das Land, in dem die Luft in großen Städten so giftig ist, dass das Stuttgarter Neckartor dagegen als Luftkurort durchgehen könnte. Aber vielleicht schärft das ja das Problembewusstsein.

Der chinesische Hersteller CHJ Automotive hat jedenfalls angekündigt noch in diesem Jahr ein "ultrakompaktes" Elektroauto für den Stadtverkehr auf den Markt zu bringen. Das Teil hat zwei leicht austauschbare Batterien und soll eine Reichweite von 100 Kilometern haben. Der Mini-Flitzer hat zwei Sitze, wiegt knappe 19 Kilogramm, ist 2,5 Meter lang, ein Meter breit und 1,4 Meter hoch - man kann vier davon auf einem normalen Parkplatz stellen.

Das Teil soll ohne Batterie um die 6000 Dollar kosten, wird aber erst mal gar nicht in den freien Handel kommen sondern - ähnlich wie die mittlerweile weit verbreiteten Leihräder - als "free floating"-Verleihservice zum Einsatz kommen. Sprich: Die Idee ist, dass die kleinen Teile überall rumstehen. Per App sucht der potenzielle Kunde das nächste Auto, schaltet es frei, fährt zum Ziel und stelltdie Kiste wieder ab. Eine dezente Video-Überwachung sorgt dafür, dass Vandalismus sich nicht lohnt. Wenn eine der beiden Batterien leer ist, ruft das Auto nach einem Serviceteam. Das kommt, tauscht die Batterie und reinigt - falls nötig - auch gleich noch den Wagen.

Wer glaubt, dass sei pure Science Fiction und würde sich in Europa nie durchsetzen, mit dem würde ich mich glatt auf eine kleine Wette einlassen. Denn für die Betreiber der Auto-Flotte besteht der Reiz des Geschäfts nicht in erster Linie im Geld, sondern darin, dass automatisch jede Menge Mobilitätsdaten anfallen. Die man analysieren und weiterverkaufen kann.

(wst)