Achtsamer Optimismus

Max Tegmark diskutiert die Zukunft des Menschen im Zeitalter der künstlichen Intelligenz.

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Künstliche Intelligenz ist entweder das Beste, was der Menschheit passieren kann, oder das Schlimmste. Davon ist Max Tegmark, Physiker am US-amerikanischen Massachusetts Institute of Technology, fest überzeugt. In seinem neuen Buch "Leben 3.0" erklärt Tegmark, was da auf die Menschheit zukommen könnte.

Obwohl das Thema nicht gerade neu ist, lohnt es sich aus zwei Gründen, dieses Buch zu lesen: Erstens liebt Tegmark spekulative Ideen und Provokationen. So ist der Kosmologe beispielsweise fest davon überzeugt, dass Parallelwelten existieren und das Universum eigentlich aus mathematischen Strukturen besteht. Zweitens ist Tegmark ganz nah dran an Forschern und Investoren, die im Silicon Valley an der Zukunft der KI arbeiten – das Buch ist also streckenweise auch ein exklusiver Einblick in aktuelle Diskussionen über künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen.

Wer mit den Begriffen und dem Gedankengut dieser Kreise noch nie in Berührung gekommen ist, für den könnte die Lektüre allerdings zunächst etwas befremdlich wirken. Denn Tegmark betrachtet kognitive Fähigkeiten wie Erinnerung, Rechnen, Lernen und schließlich auch Intelligenz als "substratunabhängig", also nicht auf Ge-hirne beschränkt.

"Leben" ist für den Physiker folglich ebenfalls nicht auf biologische Funktionen beschränkt, sondern ein "Prozess, der seine Komplexität bewahren und sich reproduzieren kann". "Leben 3.0" ist die dritte Stufe dieser Entwicklung, ein "Prozess", der "seine Hardware selbst gestalten und so sein eigenes Schicksal meistern kann" – eine Stufe, die das Leben früher oder später nahezu unausweichlich erreichen wird.

Schon lange vor diesem Zeitpunkt würden sich aus der KI-Forschung aber bereits eine Menge drängender Probleme ergeben, argumentiert Tegmark. So müsste dringend erforscht werden, wie sich die fehlerhaften, unsicheren Computer von heute in robuste KI-Systeme verwandeln ließen, denen wir wirklich trauen können. Außerdem bräuchte es ein internationales Abkommen für das Verbot von autonomen Waffen und eine Lösung dafür, wie ein Teil des von der KI erzeugten Reichtums umverteilt werden kann. Langfristig müsse man zudem erforschen, wie wir diese Maschinen dazu bringen können, menschliche Ziele zu verstehen, zu übernehmen – und auch beizubehalten, wenn sie intelligenter werden.

Denn eine dann entstehende "Superintelligenz", die Tegmark durchaus für wahrscheinlich hält, könnte den Menschen als Hindernis bei der Erreichung ihrer Ziele betrachten, die Menschheit versklaven – oder gar ausrotten. Trotz solcher Gefahren gleitet das Buch nicht in apokalyptische Szenarien ab. Denn Tegmark sieht sich als "achtsamer Optimist", der hofft, "dass Gutes geschieht, wenn man sorgfältig plant und ehrgeizig dafür arbeitet".

Max Tegmark: "Leben 3.0, Mensch sein im Zeitalter Künstlicher Intelligenz", Ullstein Verlag, 528 Seiten, 26 Euro (E-Book 19,99 Euro)

(bsc)