Tesla verschwieg Fabrikunfälle

Laut einer umfangreichen Recherche missachtet Tesla bei der Produktion seiner Elektroautos Sicherheitsvorschriften und gibt Zahlen zu Unfällen zu niedrig an. Das Unternehmen selbst sieht sich als Opfer einer Kampagne.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Will Evans
  • Alyssa Jeong Perry
Inhaltsverzeichnis

Dieser Artikel wird veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Website Reveal des Center for Investigative Reporting

In der Autofabrik von Tesla heben riesige rote Roboter – manche von ihnen benannt nach Figuren in X-Men – Teile in die Luft, während schwarz gekleidete Arbeiter an den Karosserien aus Aluminium arbeiten. Gabelstapler und Hubwagen zischen über grau gestrichene Böden, die sich von den in einem anderen Grauton gehaltenen Wegen für Fußgänger unterscheiden.

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Von einer Farbe aber würden einige frühere Sicherheitsexperten bei Tesla gern mehr sehen: Gelb, mit dem in der Produktion traditionell zur Vorsicht gemahnt wird. Einmal machte sich Justine White, die damalige Sicherheitschefin für das Hauptfließband, Sorgen über mögliche knochenbrechende Zusammenstöße und das Fehlen von eindeutig gekennzeichneten Laufwegen. Als sie sich damit an ihren Chef wandte, sagte der „Elon mag gelb nicht so“.

Der große Reiz von Tesla ist die dort zu findende Kombination aus hochmoderner Technologie und einer Vision für eine bessere Welt. Viele Mitarbeiter, darunter auch die frühere Sicherheitschefin White, kamen dorthin, weil sie sich von Elon Musk inspiriert fühlten. Der CEO hat echte Star-Qualitäten und unter anderem bahnbrechende Raketen ins All gebracht.

Doch White und andere berichten von chaotischen Zuständen in der Fabrik, wo Stil und Tempo wichtiger gewesen seien als Sicherheit. Häufig werde Musks Name ins Feld geführt, um Abkürzungen zu rechtfertigen und Bedenken abzuwehren, erzählt White.

Nachdem Tesla in der Vergangenheit wegen zunehmender Verletzungen unter Druck geraten war, vermeldete das Unternehmen vor kurzem einen deutlichen Rückgang im Jahr 2017. Mittlerweile sei die Unfallquote auf durchschnittlich 6,2 pro 100 Arbeiter gesunken, was dem Branchendurchschnitt entspreche.

Doch so einfach ist es offenbar nicht. Laut einer Recherche der Website Reveal des Center for Investigative Reporting hat Tesla manche schweren Zwischenfälle in seinen gesetzlich vorgeschriebenen Berichten verschwiegen. Damit sehen die Unfallzahlen des Unternehmens besser aus, als sie in Wirklichkeit sind.

Im vergangenen April litt Tarik Logan unter den Dämpfen eines giftigen Klebers, den er in der Anlage verwenden musste. Er schrieb seiner Mutter: "Ich habe höllische Schmerzen, irgendwas stimmt nicht."Der brennende Schmerz wurde so unerträglich, dass er nicht mehr arbeiten konnte. Er quälte Logan wochenlang.

Die Diagnose von Logans Inhalationsverletzung hat es nie auf die offiziellen Verletzungsprotokolle geschafft, die von Unternehmen eingehalten werden müssen. Auch Berichte von anderen Fabrikarbeitern über Verstauchungen, Zerrungen und wiederholte Stressverletzungen durch das Zusammensetzen von Teslas schlanken Autos wurden nicht veröffentlicht.

Nach internen Firmenunterlagen, die Reveal erhielt, etikettierten Firmenbeamte die Verletzungen stattdessen als persönliche medizinische Probleme oder mindere Vorfällen, die nur eine Erstversorgung erforderten.

Die zu niedrigen Zahlen sind ein Symptom für ein grundlegenderes Problem bei Tesla: Nach Angaben von fünf Mitgliedern seines früheren Teams für Umwelt, Gesundheit und Sicherheit, die im vergangenen Jahr ausgeschieden sind, hat das Unternehmen den Produktionsfortschritt bei seinen Elektroautos vor die Sicherheit gestellt. Damit seien Arbeiter unnötig gefährdet worden.

Tesla hat derzeit einen Börsenwert von rund 50 Milliarden Dollar und beschäftigt mehr als 10.000 Arbeiter in seiner Fabrik in Fremont. Während des bemerkenswerten Aufstiegs des Unternehmens wurden Arbeiter von Maschinen aufgeschlitzt, von Gabelstaplern zerquetscht, bei elektrischen Explosionen verbrannt und mit geschmolzenem Metall bespritzt. Im vergangenen Jahr wurden bei Tesla 722 Verletzungen registriert, ungefähr zwei am Tag. Die Quote der schweren Verletzungen, die freie Tage oder Einschränkungen bei der Arbeit nach sich zogen, war 30 Prozent schlechter als der Branchendurchschnitt.

Rapides Wachstum, ständige Veränderungen und laxe Regeln, zusammen mit einem CEO, dem hochrangige Manager kaum zu widersprechen wagen, haben laut den früheren Sicherheitsmitarbeitern eine Atmosphäre geschaffen, in der sich kaum jemand traute, für Sicherheitsfragen einzustehen.

Außer gegen Gelb soll Musk auch eine Abneigung gegen zu viele Schilder in der Fabrik und die Warntöne von Gabelstaplern beim Rückwärtsfahren haben, sagen die früheren Team-Mitglieder. Diese Präferenzen seien weithin bekannt und hätten dazu geführt, dass an solchen üblichen Sicherheitssignalen gespart wurde.

„Wenn jemand gesagt hat, 'Elon mag das nicht', dann war man besorgt, weil man seinen Job verlieren konnte“, sagt Susan Rigmaiden, frühere Managerin für Umwelt-Compliance.