Ein Plädoyer für Pepper

Kritiker des technischen Fortschritts warnen vor Pflegerobotern, weil die nicht menschlich genug sind. Menschen sind das leider auch nicht immer.

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Es scheint, als wäre Margaret Boden im Alter nun doch pessimistisch geworden. Die Kognitions- und KI-Wissenschaftlerin, die sich nahezu ihr gesamtes Forschungs- und Arbeitsleben mit den faszinierenden Möglichkeiten maschineller Intelligenz beschäftigt hat, warnte jüngst eindringlich vor der Verharmlosung von Robotern.

Optimistische Zukunftsvisionen, in denen Roboter mit Menschen zusammen arbeiten würden, wären eine Täuschung erklärte Boden. Nur der Mensch würde die Zusammenarbeit mit dem Roboter als solche begreifen. Dem Roboter aber wäre jedes Verständnis für die menschlichen Ziele völlig fremd - er würde nur stumpf seine eigenen Ziele verfolgen, ohne jedes Einfühlungsvermögen, ohne jede Empathie oder Loyalität.

Mit ihrer Kritik befindet sich Boden in guter Gesellschaft. Es scheint, als habe besonders der Einsatz des explizit auf niedlich getrimmten humanoiden Roboters Pepper in einzelnen Krankenhäusern und Pflegeheimen die Verteidiger der Menschheit noch einmal ganz besonders alarmiert. So sieht beispielsweise der Guardian-Kolumnist John Harris durch den möglichen Einsatz von Pflegerobotern Prinzipien der Menschlichkeit in Gefahr. Auch der Gesundheits- und Pflegewissenschaftler Christian Buhtz verkündet im Interview mit heise online kategorisch: "Menschliche Zuwendung in der Pflege kann und darf durch einen auch noch so niedlichen Roboter nicht ersetzt werden."

Menschliche Zuwendung? Etwa die Art von Zuwendung, die Pflegekräfte den Insassen des britischen Gosport Memorial hospital zukommen ließen? Dort wurden Patienten rund 20 Jahre lang mit Opiaten ruhiggestellt statt ihre elementare Bedürfnisse zu erfüllen, wie die Versorgung mit Essen und Wasser oder die allernotwendigste Hygiene-Versorgung. Über 20 Jahre hinweg soll es dort mindestens 450 dadurch verursachte Todesfälle gegeben haben.

Das ist schlimm, werden Sie sagen. Aber es war ja ein Ausnahmefall. Böse, unmoralische, gleichgültige oder überforderte Pflegekräfte tun manchmal auch schlimme Dinge. Aber im großen und ganzen ist Menschlichkeit doch eine zutiefst menschliche Eigenschaft?

Angesichts der aktuellen Umstände - die Besatzung eines Seenotretters steht vor Gericht, während im Mittelmeer tägliche Flüchtlinge ertrinken - kann man das manchmal bezweifeln, aber hier soll es nicht nur um anekdotische Ausreißer gehen.

Mein Plädoyer für Roboter ist allgemeiner: Es mag ja durchaus sein, dass Menschen an sich soziale Tiere sind, die den Zusammenhalt der Horde brauchen. Wir leben aber in Zeiten, in denen schon jungen Menschen Einfühlungsvermögen und uneigennütziges Handeln systematisch abtrainiert wird. In solchen Zeiten scheint mir eine Maschine, deren Verhaltensweisen fest einprogrammiert ist, um vieles verlässlicher und sicherer als ein Mensch, der erst einmal nur sein eigenes Wohl im Auge haben könnte. Software kann man zertifizieren - Menschen nicht. Ich finde, in diesem Sinne spricht einiges für maschinelle Pfleger.

(wst)