Aufforderung zum Spielen

Der Hirnforscher David Eagleman und der Komponist Anthony Brandt erklären in "Kreativität", wie kreatives Denken die Welt immer wieder neu erschafft.

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Wir Menschen wollen ständig Neues erschaffen – was aber macht unser Gehirn dabei so besonders?“, fragen Eagleman und Brandt in ihrem neuen Buch „Kreativität“. „Warum erfinden Krokodile keine Speedboats?“ Leider geben die Autoren auf diese eigentlich sehr spannenden Fragen nicht wirklich eine Antwort. Möglicherweise hat der Neurologe Eagleman, der an der Stanford University lehrt und forscht, bereits zu viele populärwissenschaftliche Bücher über die Funktion des Gehirns geschrieben und möchte sich nicht unnötig wiederholen. Also belassen es die Autoren bei Andeutungen, wenn es darum geht, wie Kreativität im Gehirn funktioniert.

Das ist aber auch schon die einzige Schwäche eines Buches, das mit vielen Mythen über Kreativität aufräumt – etwa jenem vom einsamen Künstler, der als ferner, leuchtender Stern seine Bahnen zieht. „Kreativität entsteht nicht im Vakuum“, schreiben Eagleman und Brandt. „Wir bedienen uns bei unseren Erfahrungen und den Rohstoffen in unserer Umgebung, um die Welt neu zu gestalten.“ Wie ein Diamant sei „Kreativität nichts anderes als in funkelnde Formen gepresste Geschichte“.

Das bedeutet auch: Kreativität ist nicht das Privileg genialer Künstler. Jeder Mensch ist dauernd kreativ – auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist. Ständig stellen wir uns Alternativen vor, weil das allzu Vertraute uns leicht langweilt. Drei grundlegende kognitive Mechanismen sehen die Autoren dabei am Werk: das Verbiegen, also im weitesten Sinne Verändern, vorhandener Elemente; das Zerbrechen von Lösungen in ihre Einzelteile; und schließlich das Verbinden von Elementen zu neuen, überraschenden Kombinationen. Weil die Autoren das nicht nur abstrakt behaupten, sondern mit zahlreichen – oft illustrierten – Beispielen belegen, ist das Buch nicht nur unterhaltsam, sondern auch hübsch gestaltet.

Und sie geben konkrete Tipps: Damit kreatives Denken seine Wirkung entfalten kann, müssen wir „unser Werkzeug schärfen, indem wir uns in Situationen begeben, die Einfallsreichtum und flexibles Denken erfordern“. Sie liefern zudem Strategien, um das kreative Denken zu fördern, etwa in Unternehmen.

Besonders am Herzen liegen Eagleman und Brandt jedoch Kinder und Jugendliche. Gerade in sozial schwachen Bezirken würde bei Geldknappheit oft zuerst am Kunstunterricht gespart. Doch das sei falsch, denn „in der Kunst wird Kreativität am sichtbarsten“, die Fähigkeiten, die man dort lerne, seien auch essenziell für Forschung und Innovation. „Wenige Fähigkeiten haben so viel Wert für das gesamte Leben wie eine lebendige Vorstellungskraft. In wenigen Jahrzehnten werden unsere Städte, Autos und Flugzeuge ganz anders aussehen als heute. Der Weg in diese Zukunft beginnt in den Kindergärten von heute.“

David Eagleman, Anthony Brandt: „Kreativität. Wie unser Denken die Welt immer wieder neu erschafft“
Siedler Verlag, 288 Seiten, 25 Euro (E-Book 19,99 Euro)

(anwe)