Alternative Eingabegeräte für Fotografen

In Zeiten von Smartphones und Touch-Computern gewinnt eine Gegenbewegung an Fahrt: Grafikkonsolen, Tablet-Stifte und alternative Steuergeräte. Wir haben ein halbes Dutzend solcher Geräte für Sie auf Herz und Nieren geprüft.

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Lesezeit: 31 Min.
Von
  • Sascha Erni
  • Henrik Heigl
Inhaltsverzeichnis

Die direkte Manipulation von kreativen Inhalten mithilfe von Reglern und Knöpfen klingt abstrakt, aber jeder kennt es aus der Musik. Mischpulte stehen nicht nur in Aufnahmeräumen, sondern auch bei fast jedem Konzert. Die Vorteile für Tontechniker liegen im wahrsten Sinne des Wortes auf der Hand. Sie können einzelne Instrumente nach Gehör lauter oder leiser drehen, den Frequenzbereich an die Zuschauerschaft und die Räumlichkeiten anpassen oder einen Kanal kurz stumm schalten, ohne die ganze Zeit auf einen Bildschirm starren zu müssen. Heute werden klassische Mischpulte oft mit Computern kombiniert, aber der Griff zu Slider und Drehknopf bleibt in vielen Situationen immer noch unverzichtbar. Und viele sind sich einig – das würde eigentlich auch in der Bildbearbeitung funktionieren. Ähnlich sieht es im Bereich der Retusche aus, wo althergebrachte Konzepte wie die Arbeit mit Pinsel und Schablone statt mit der Maus direkt mit einem Stift ins Bild gemalt werden. Zurück in die Zukunft, sozusagen.

Heute versuchen Hersteller unterschiedlichster Herkunft, alternative Eingabegeräte an den Fotografen zu bringen. Loupedeck entstand als Crowdfunding-Projekt begeisterter Lightroom-Nutzer, die Firmengründer von Palette Gear stammen aus dem universitären Mechatronik-Umfeld in Waterloo (Kanada), Wacom aus Japan wurde bereits in den 80er Jahren zum weltweiten Marktführer. Die britische Firma Tangent war bisher im Videogeschäft tätig und machte sich einen Namen mit sogenannten Grading-Konsolen für die TV- und Filmproduktion. Und das war lange Zeit auch in der Fotografie neben der Retusche der Haupteinsatzzweck alternativer Eingabegeräte: Beim Grading oder der „Tönung“ werden Filme und Bilder mit künstlichen Farb- und Tonwertstichen versehen – die Schatten vielleicht etwas bläulich, die Mitten neutral, die Lichter gelblich. In der Breite bekannter wurde Tönung mit den auf Grün getrimmten „Matrix“-Filmen, heute wird praktisch jede Videoproduktion mehr oder weniger dezent eingefärbt, um den gewünschten emotionalen Effekt zu erzielen. Dasselbe sieht man in der Fotobearbeitung, wo nach dem ersten Filter-Boom, mit dem man altes und kaputtes Filmmaterial simulieren wollte, zunehmend zurückhaltendere Tönungen gefragt sind.

Neben der Tönung oder dem direkten Malen in Bildern bieten Ihnen alternative Eingabegeräte aber viel mehr. Die Geräte können mehrere unterschiedliche Funktionen übernehmen, von Bildbewertung über Schärfen und Entrauschen bis Abwedeln / Nachbelichten ist praktisch alles möglich. Sofern Treiber, Gerät und Applikation sich einig werden, tun sich viele Möglichkeiten auf. Vielleicht haben Sie festgestellt, dass Ihre Bilder oft hochgezogene Schatten benötigen, um so gut wie möglich aus Ihrem Drucker zu kommen. Also reservieren Sie einen Drehknopf ihrer Konsole oder ihres Grafiktablets für „Schatten aufhellen“: Beim ersten Sichten in Lightroom oder Capture One halten Sie eine Hand auf der Tastatur, um Ihre Bilder zu bewerten und sich durch den Filmstreifen zu blättern, mit der anderen Hand drehen Sie bei Bedarf die Schatten höher – sofort, ohne zuerst das passende Werkzeug aufrufen zu müssen. Oder wenn Sie als Hochzeitsfotografin eine eigene Stilvorlage verwenden, die Sie für perfekte Ergebnisse bei jedem Bild noch minimal anpassen müssen, geht das bei hunderten von Bildern pro Auftrag mit drei, vier Reglern bequemer als mit kilometerlangen Mauswegen.