Lieber ein Datenschutz-Desaster als eine Blaue Plakette

Bei den Diesel-Fahrverboten hat die Bundesregierung ihren Gestaltungsspielraum längst verzockt. Nun könnte sie den Kommunen wenigstens bei der Umsetzung helfen. Doch nicht einmal das kriegt sie hin.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 3 Min.

Stellen Sie sich vor, Sie haben für ein bestimmtes Problem die Wahl zwischen einer einfachen, bewährten Lösung und einer komplizierten, von der niemand so genau weiß, wie sie eigentlich funktionieren soll. Sie entscheiden sich für die erste Variante? Dann arbeiten Sie offenbar nicht für die Bundesregierung.

„Wir wollen keine Fahrverbote“, schallt es mantrahaft aus dem Bundesautoverkehrsministerium, wann immer es um die Blaue Plakette geht – so, als würden Wünsche wahr, wenn man sie nur oft genug wiederholt. Dabei ist das Argument doppelt unpassend: Erstens bedeutet eine Blaue Plakette keineswegs automatisch flächendeckende Fahrverbote. Sie erleichtert es lediglich den Kommunen, nach eigenem Ermessen welche durchzusetzen. Das ist ein Unterschied.

Zweitens ist es mittlerweile vollkommen wurscht, was die Bundesregierung will und was sie nicht will. Sie hat mit einer bemerkenswerten Konstanz gezeigt, dass sie das Problem nicht lösen kann oder will. Ihren Gestaltungsspielraum hat sie dadurch längst verzockt. Die Entscheidungen treffen jetzt die Gerichte. Das wichtigste, was der Bund nun tun kann: Den Kommunen die Umsetzung der gerichtlich verhängten Fahrverbote nicht unnötig schwer zu machen. Und nicht einmal das kriegt er hin.

Statt einer blauen Plakette will er „sicherstellen, dass die Verkehrsüberwachungsbehörden auf die Daten des Zentralen Fahrzeugregisters zugreifen können, um fahrzeugindividuell die Einhaltung der Verkehrsbeschränkungen überprüfen zu können“, heißt es im Beschlusspapier der Koalitionsspitzen.

Wie genau hat man sich das vorzustellen? Sitzt dann jemand am Straßenrand und fragt im Akkord Kennzeichen ab? Oder gibt es automatische Scanner, die sämtliche Fahrzeuge erfassen, was ein Datenschutz-Desaster wäre? Und das alles nur, weil irgendein Politiker blaue Aufkleber irgendwann mal für böse erklärt hat?

Und überhaupt: Wo ist denn der prinzipielle Unterschied zwischen einer Plakette und einer Kennzeichenabfrage? Für den Dieselfahrer kommt es aufs selbe raus. Für so blöd, das nicht zu bemerken, kann doch nicht einmal die CSU ihr Wahlvolk halten.

„Deshalb bleibt ein Fahrverbot für die Städte faktisch nicht umsetzbar. Soll das womöglich so sein?“, fragt sich die Süddeutsche Zeitung. Berechtigte Frage. Vielleicht spekuliert die Koalition ja tatsächlich darauf, dass Fahrverbote auf diese Art kaum kontrolliert werden können und dementsprechend niemandem wehtun.

Nur: Die Luft wird dadurch nicht besser. Genau solche Pseudo-Lösungen sind es doch, die der Politik jetzt reihenweise von den Gerichten um die Ohren gehauen werden. Schaffen es Bund und Kommunen jetzt nicht, wenigstens differenzierte Fahrverbote wirksam durchzusetzen, werden sie wahrscheinlich irgendwann zu undifferenzierten verdonnert. Dann ist das Geschrei erst recht groß. Bin mal gespannt, wie sie das ihren Wählern erklären wollen.

(grh)