Wie wenig Alkohol sollte es sein?

Die Gesundheitsbehörde Public Health England startete gemeinsam mit dem Drinkaware Trust eine Aktion für weniger Alkoholkonsum. Aber kann die Kooperation mit einer industriefinanzierten Organisation funktionieren?

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Von
  • Inge Wünnenberg

Auf den ersten Blick wirkt der gemeinsame Vorstoß der englischen Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) und des Drinkaware Trusts wie ein Schritt in die richtige Richtung. Drinkaware ist eine unabhängige, in ganz Großbritannien tätige und auf Alkohol spezialisierte Bildungseinrichtung, die sich allerdings hauptsächlich aus Spenden von britischen Alkoholproduzenten, Einzelhändlern und Supermärkten finanziert. Die beiden Organisationen starteten nun im September eine gemeinsame Kampagne. In deren Zentrum steht eine Empfehlung an Alkoholkonsumenten in der Lebensmitte. Die Botschaft lautet, einige Tage in der Woche überhaupt keinen Alkohol zu trinken, um damit die alkoholbedingten Gesundheitsrisiken zu reduzieren.

Vorausgegangen waren Untersuchungen, denen zufolge einer von fünf britischen Erwachsenen mehr trinkt, als es die offizielle ärztliche Empfehlung quasi abgesegnet hat. In der Richtline der Chief Medical Officers heißt es: "Um die Gesundheitsrisiken des Alkoholgenusses auf einem niedrigen Level zu halten, ist es das sicherste, wöchentlich nicht mehr als 14 Einheiten zu konsumieren." Nun räumen zwei Drittel jener Konsumenten ein, die mehr als die empfohlenen Mengen Alkohol zu sich nehmen, sie fänden es schwieriger, den Alkohol zu reduzieren als andere Änderungen im Lebensstil umzusetzen – wie ihre Ernährung zu verbessern, mehr Sport zu treiben oder – bei Rauchern – das Rauchen einzuschränken.

Allein, die Entscheidung zu der gemeinsamen Kampagne provozierte sogleich einen Eklat. Wie die BBC zum Auftakt der Aktion berichtete, gab Ian Gilmore seine Funktion als Regierungsberater für Alkohol aus Protest auf: In einem von 45 weiteren Fachleuten unterzeichneten Brief hatte er bereits im Vorfeld kritisiert, die Kooperation von Public Health England und Drinkaware berge ein "signifikantes Risiko sowohl für die effektive Beratung der Öffentlichkeit beim Thema Alkohol als auch für den Ruf von Public Health England".

Insgesamt 46 Experten, darunter auch solche für Tabak und illegale Drogen, bezweifeln in dem Schreiben ohnehin die Wirksamkeit von Kommunikationskampagnen, wenn Verhaltensänderungen bewirkt werden sollen. Das habe ja auch die Forschung von Public Health England schon gezeigt. Umso schärfer bemängeln die Unterzeichner indes Drinkawares Ratschläge zur Reduzierung des Alkoholkonsums: Die Website enthalte keine vollständigen Informationen über die Risiken des übermäßigen Alkoholkonsums.

Inzwischen ist die Anzahl der Unterzeichner auf mehr als 300 führende Akademiker angestiegen, wie die Mail Online berichtet. Die besorgten Kritiker fahren starke Geschütze auf. Sie behaupten etwa, dass sich die Getränkeindustrie auf Ratschläge oder Regeln konzentriere, von denen sie wisse, dass sie nicht funktionieren würden. Auf die Art und Weise könne die Industrie vermeiden, quasi durch die Maßnahmen der Verbraucher Geld zu verlieren.

Denn orientiert sich der Verbraucher an jüngsten Studien, erfährt er, dass Alkohol noch schädlicher ist, als lange gedacht. Wie viele andere Medien auch berichtete der SWR in diesem Jahr darüber, dass selbst kleinere Mengen Auswirkungen auf die Gesundheit haben: "Wer mehr als fünf Gläser Wein, mit jeweils 200 Milliliter Inhalt pro Glas, oder auch mehr als zweieinhalb Liter Bier innerhalb einer Woche trinkt, der erhöht damit sein Risiko für Schlaganfall, Herzschwäche, Bluthochdruck und stirbt deshalb womöglich auch früher."

Genau diese Risiken liegen Public Health England durchaus am Herzen: Vielen Menschen sei nicht bewusst, dass Alkohol neben der Beeinträchtigung der Leber zahlreiche schwerwiegende Gesundheitsprobleme verursachen könne wie Bluthochdruck, Herzerkrankungen und mehrere Krebsarten, heißt es explizit. Deshalb wäre es vielleicht die bessere Botschaft zu sagen: Am besten die Woche hindurch gar nicht trinken – und nur ganz ausnahmsweise mal ein Gläschen oder Bierchen genießen. Das wird allerdings keine Maxime sein, die den Beifall der Alkoholindustrie findet. (inwu)