Fische mit Jazz

Kann man mit VR auch abtauchen? Klar: einfach Brille auf und in den nächsten Pool springen.

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Fische mit Jazz

(Bild: Stephen Greenwood/James Temple)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Rachel Metz

Egal wie gut die virtuelle Realität das Fliegen, Schweben oder Schwimmen auch simulieren mag: Richtig echt fühlt es sich nicht an, solange die Füße auf festem Grund stehen. Deshalb haben Stephen Greenwood und Allan Evans eine VR-Brille gebaut, die man auch unter Wasser tragen kann.

Greenwood, Direktor der Kreativentwicklung beim Discovery Digital Network, und Evans, Mitgründer des Headset-Herstellers Avegant, haben bereits vor einiger Zeit mit der Arbeit begonnen. Zu Beginn war das Vorhaben nur ein Nebenprojekt, aber Greenwood und Evans können sich vorstellen, es für Unterhaltung, Tauchsimulationen oder Physiotherapie weiterzuführen. "In einer radikal anderen Umgebung, wenn du keine Schwerkraft spürst und nicht mehr weißt, wo unten und oben ist, wird die VR-Erfahrung viel glaubwürdiger", sagt Greenwood.

Ihr Unterwasser-Headset ist bisher nur ein rudimentärer Prototyp, aber er funktioniert. Computer und Display liefert ein wasserdichtes Android-Smartphone, das mit einem 3D-gedruckten Abstandshalter an einer Tauchermaske befestigt ist. Schwarzes Klebeband verdunkelt die Maske. Auf die Gläser sind zwei Vergrößerungslinsen aufgeklebt, wie bei einer Cardboard-Halterung. Den Ton überträgt ein wasserdichter MP3-Player von Finis über die Schädelknochen.

Das Ganze probiere ich an einem sonnigen, frischen Nachmittag im Pool von Greenwoods Apartmentblock aus. Zuerst schwebe ich über die Internationale Raumstation ISS, während David Bowies "Space Oddity" in einer Endlosschleife läuft. Ich stelle fest, dass ich mich gar nicht viel bewegen möchte; es ist entspannend, einfach im Wasser (beziehungsweise im Weltraum) herumzuhängen und sich nur gelegentlich umzuschauen.

Nach einer gewissen Zeit – Minuten wahrscheinlich, aber das Zeitgefühl kann täuschen – schaltet Greenwood um in eine andere virtuelle Welt, die mehr mit meiner Realität zu tun hat: eine Unterwasserszene mit bunten Fischen und peppigem Jazz im Hintergrund. Mich mit den Fischen zu tummeln, macht etwas mehr Spaß – abgesehen davon, dass langsam Wasser in den Schnorchel dringt, als ich herumschwimme, um die Welt um mich herum zu erkunden.

Trotzdem habe ich das Gefühl, nicht vom Fleck zu kommen. Denn das Headset erfasst, wie Googles Cardboard, nur die Orientierung des Kopfes, aber nicht dessen Position im Raum. Das bedeutet: Drehe ich den Kopf, kann ich zwar unterschiedliche Szenen betrachten, schwimme ich aber herum, ändert sich die Sicht auf die virtuelle Welt nicht. Und ich weiß nie, wann ich gegen eine Wand stoße. Dann verfliegt der Zauber jedes Mal augenblicklich.

Um das zu verbessern, arbeiten Greenwood und Evans an einem Positionstracker, der auch unter Wasser funktioniert und mit dem Headset kommuniziert. Details nennen sie nicht – außer dass Schall und Magnetfelder involviert sind. Licht und Kameras wie auf festem Boden sind in dieser Umgebung jedenfalls keine Option. Trotz des simplen Aufbaus war es leicht, die äußere Welt zu vergessen und die virtuelle zu genießen. Ich blieb nicht allzu lange unter Wasser – der Tag ging zu Ende und der Pool wurde ziemlich kalt –, aber ich würde gern bald wiederkommen.

Produkt: VR-Schwimmen
Hersteller: Discovery Digital Network / Avegant
Preis: noch unklar / Prototyp

(bsc)