Zahlen, bitte! 42, oder: der Sinn der Computerkunst

Die Antwort auf die Frage aller Fragen? Schon. Aber auch die Zusammenführung von Mathematik und Ästhetik.

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Zahlen, bitte! 42, oder: der Sinn der Computerkunst
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Am vergangenen Sonntag feierte der Informatiker und Künstler Frieder Nake seinen 80. Geburtstag. Ihm zu Ehren zeigen wir die "Matrizenmultiplikation Serie 42" aus dem Jahre 1968. Geschrieben in Algol 60, berechnet auf einer Telefunken TR 4, ausgegeben auf einem Zuse-Graphomaten Z 64 unter Verwendung der Farben Gelb, Grün, Orange, Pink und Violett.

Matrizenmultiplikation, Serie 42

(Bild: mit freundlicher Genehmigung von Frieder Nake, Digitalisierung: Heinz Nixdorf MuseumsForum )

Die Rechenzeit dieser Bilder betrug nicht 7,5 Millionen Jahre, dafür ist das Ergebnis Kunst.

Oder eben Mathematik: Vier Quadrate, jedes mit 20 mal 20 farbigen Flecken gefüllt, wurden von Frieder Nake genutzt, um einen Grenzwertsatz über stochastische Matrizen zu illustrieren.

In seinem Aufsatz "Computerkunst und mathematische Texte", in dem der Künstler sein Vorgehen beschreibt, beklagt er, dass mathematische Texte schwer zu lesen sind, weil sie sehr wenig Redundanz erhalten. Wenn man Figuren und Diagramme in den Text einfügt, fügt man mehr Redundanz in den Text ein: aus dem mathematischen Text wird ein mathematisches Lehrbuch, aus einem mathematischen Theorem wird mit Hilfe des Computers ein ästhetisches Objekt, das die Studenten animieren soll, verschiedene Theoreme der Wahrscheinlichkeitstheorie durchzuspielen.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Im Aufsatz beschreibt Nake, wie schwerfällig und umständlich die Programmierung, die Ausgabe als Lochstreifen und die Umsetzung durch das Zeichengerät an der Universität Stuttgart waren. Seine Studenten lernten alles Mögliche, nur nicht das Theorem. Erst als er an der Universität Vancouver mit einem "interaktiven" Computer arbeitete, funktionierte der didaktische Ansatz. Die Studenten konnten mit einem Lichtgriffel direkt Helligkeitswerte stellvertretend für Zahlen in den Zellen am Bildschirm eingeben und den Computer die Matrix berechnen lassen, die wiederum auf dem Bildschirm angezeigt wurde. Verglichen mit den heute vorhandenen Möglichkeiten, die Matrixmultiplikation zu erleben, war das noch recht umständlich.

Doch damit nicht genug. Einige Bilder wurden von Frieder Nake ohne jeden Bezug auf den mathematischen Hintergrund allein als ästhetische Objekte gezeigt. Mit ihnen wurde Nake zu einem Pionier der Computerkunst, als der er zu seinem 80. Geburtstag gefeiert wird. Gerne ist dann die Rede von der Kunst der kalten Logik oder der Eroberung der Kunst durch schlichte Pixel. So geht der mathematische Bezug, der Nakes Kunst auszeichnet, verloren.

Vollends verschwunden ist der gesellschaftliche Bezug, mit dem sich Frieder Nake als echter "68er" intensiv beschäftigte: Kann man es rechtfertigen, ein so komplexes und sehr teures Produktionsmittel wie den Computer zur Produktion von Bildern zu verwenden? Braucht die Gesellschaft den Computer nicht für dringendere Rechenaufgaben?

Frieder Nake 2012

(Bild: Matthias Müller-Prove, Lizenz Creative Commons CC BY-SA 4.0 )

Sein Aufsatz zur Matrixmanipulation, 1973 erschienen, endet ganz im Geist dieser Zeit: "Es kann nicht Ziel der Verwendung dieses mächtigen Produktionsmittels im Bereich der Ästhetik sein, die Menge der schon vorhandenen ästhetischen Objekte zu vermehren und zur weiteren Rechtfertigung der bürgerlichen Gesellschaft beizutragen. 'Demokratisierung der Kunst' kann nicht heißen, die Methoden und Kriterien der Ästhetik auf alle Schichten der Bevölkerung zu übertragen – das würde nur den Konsum zugunsten kapitalistischer Gewinne auf einem weiteren Markt anfachen. Demokratisierung der Kunst durch Computer kann jedoch bedeuten, mit ästhetischen Mitteln zur Informationsvermittlung in solchen Gebieten beizutragen, die gewöhnlich schwer verständlich sind."

Wir gratulieren dem Künstler-Informatiker nachträglich zu seinem 80. Geburtstag und fügen hinzu: 42 ist wirklich sehr "schön". Die Bevölkerung dankt. (jk)