Offshore: Leichter schwimmen

Henrik Stiesdal hat die moderne Windkraftbranche geprägt. Nun will der Däne das ganz große Rad drehen: Er will die Stromerzeugung auf See revolutionieren.

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Leichter schwimmen

(Bild: Stiesdal A/S)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Daniel Hautmann

Wenn Henrik Stiesdal erklären will, wie viel Kraft im Wind steckt, redet er nicht viel. Er drückt dir kurzerhand einen Holzpropeller in die Hand und will, dass du das Ding in den Wind hältst. Du sollst die Windkraft am eigenen Körper spüren.

Auf ähnlich simple Weise will er nun der Offshore-Windbranche zeigen, wie was geht. Die nämlich orientiere sich zu sehr an der Öl- und Gasindustrie. Offshore-Windplattformen sind gigantische Konstruktionen aus Tausenden Tonnen Stahl. Um sie errichten zu können, braucht es tiefe, windgeschützte Buchten. Manche ragen 100 Meter in die Tiefe, andere haben aufwendige Ballastierungssysteme, in denen Wasser hin und her gepumpt wird. Gemein haben alle monströse Kosten.

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Doch mit Windenergie lassen sich schlicht nicht jene Milliarden verdienen, die ein Öl- oder Gasfeld abwirft. Unterm Strich sind die Parks auf hoher See viel zu kompliziert, viel zu aufwendig und viel zu teuer.

Stiesdal ist nicht irgendwer. Er ist einer der Begründer der modernen Windkraft. Der Däne hält etliche Patente und hat zig Preise gewonnen. Viele der Techniken, die heute in jedem Windrad stecken, hat er entwickelt, etwa Verfahren, um Rotorblätter aus einem Guss herzustellen. 1991 half er, den weltweit ersten Offshore-Windpark Vindeby aufzubauen. Stiesdal arbeitete für die Pionierunternehmen Vestas und Bonus Energy. Zuletzt war er Chefingenieur von Siemens' Windsparte. Doch das war nicht seine Welt – zu viel Gerede. Er kündigte und gründete seinen eigenen Laden: Stiesdal Offshore Technologies, SOT.

Die Offshore-Windkraft, speziell schwimmende Anlagen, ist Stiesdal überzeugt, werde helfen, die Welt vor dem Klimakollaps zu bewahren. Auf See weht der Wind stärker und beständiger, es gibt keine Größenlimits wie an Land, und an den Anlagen stören kann sich auch kaum einer.

Deshalb will der 61-Jährige den Bau der Gründungsstrukturen radikal vereinfachen und industrialisieren. TetraSpar nennt er sein Schwimmerkonzept. Während die meisten Schwimmplattformen bislang klobig und monströs daherkommen, wirkt die von ihm entwickelte fast zerbrechlich. Mit rund 1000 Tonnen Stahl kommt sie aus – deutlich weniger als alle anderen. "Windkraft muss billig sein", begründet Stiesdal das Material-Sparprogramm.

Sein Schwimmer besteht aus vier Stahldreiecken, die von drei im Grund verankerten Stahlseilen unter Wasser gehalten werden. "Keep it simple" lautet seine Devise. Er setzt auf ein Baukastensystem: Die Dreiecke werden aus gleich großen, zylindrischen Stahlröhren gefertigt. Keine dicker als sechs, keine länger als 50 Meter. Das könne praktisch jede Fabrik herstellen.

Während andere Anlagenbauer schweißen, koppelt Stiesdal seine Stahlröhren mit gusseisernen Verbindungsstücken, die gesteckt und verschraubt werden. Das hat er sich bei Windradtürmen an Land abgeschaut, den seiner Meinung nach günstigsten Stahlstrukturen, die der Mensch je geschaffen hat.

Dass dieses Konzept weit mehr als die Fantasie eines Weltverbesserers ist, davon ist Johan Sandberg vom Energieberatungs- und Zertifizierungsunternehmen DNV GL überzeugt: "Das Konzept beinhaltet eine Reihe von vielversprechenden und kostensenkenden Lösungen für die schwimmende Windkraft. Der Entwurf legt einen Schwerpunkt auf die Industrialisierung und nutzt die Erfahrungen und Fertigungsverfahren der hocheffizienten Onshore-Windindustrie. All diese Punkte machen das Konzept einzigartig."

Stiesdal ist auf einem guten Weg, seine Pläne in die Tat umzusetzen: Im Sommer wurde sein Schwimmer im Wellenkanal getestet. Und im Herbst fanden sich mit der RWE-Tochter Innogy und Shell zwei zahlungskräftige Partner. Gemeinsam mit Stiesdals Firma haben sie 18 Millionen Euro aufgebracht und wollen ab Frühjahr im dänischen Grenaa eine Anlage mit 3,6 Megawatt bauen. Die soll dann im norwegischen Marine Energy Test Centre installiert werden. Wenn alles gut geht, sagt Stiesdal, ist sie im August im Wasser.

(bsc)