Europäische Strafverfolger fordern noch weitergehende Überwachung

Verkehrsdaten sollen nach den neuen Enfopol-Plänen jahrelang gespeichert und anonyme Netzzugänge verboten werden.

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  • Florian Rötzer

Die britische Organisation Statewatch hat auf ihren Webseiten die Kampagne SOS Europa gestartet, um vor den Wünschen der europäischen Polizeistellen und Geheimdienste nach immer weitergehender Überwachung zu warnen. Nach den Vorstellungen der europäischen Strafverfolger sollen in Zukunft Telefongespräche – aus dem Festnetz genauso wie vom Handy –, Faxe, E-Mail, die Inhalte aller Webseiten sowie der gesamte Netztraffic aufgezeichnet und "für mindestens sieben Jahre" archiviert sowie den "Bedarfsträgern" zugänglich gemacht werden.

Hinter der exorbitanten Forderung steht die europäische Arbeitsgruppe für polizeiliche Zusammenarbeit, besser bekannt unter dem Kürzel Enfopol. Telepolis hatte das Treiben der jahrelang außerhalb jeglicher Kontrolle agierenden Truppe 1998 aufgedeckt (Telepolis Special Echelon). Der damals geplante "Lauschangriff" wurde nicht zuletzt aufgrund der von den Telepolis-Berichten ausgelösten Medienschelte zunächst auf Eis gelegt, beziehungsweise teilweise in das Europäische Rechtshilfeabkommen eingebaut.

Die neuen Enfopol-Dokumente, die Statewatch teilweise bereits vom zuständigen Rat der Europäischen Union ausgehändigt bekommen und auf der SOS-Europa-Seite veröffentlicht hat, knüpfen weitgehend an die alten Leitlinien an. Wie bisher stellen die Strafverfolger klar, dass es ihnen um die lückenlose Überwachung aller Formen von Telekommunikation geht, also neben dem "klassischen" Telefonverkehr auch um E-Mail, Mobil- und Satellitenfunk sowie die Webnutzung. "Kennungen", zu den die Europolizisten Zugang haben wollen, umfassen Nutzeradressen, Gerätenummern, Passwörter oder Email-Accounts.

Im Papier Enfopol 38 vom 24. April, das Telepolis vorliegt, verdeutlicht die französische Delegation der beim Rat der EU angesiedelten Polizei-Arbeitsgruppe die Hintergründe der neuen Forderung: Verbindungsdaten werden darin als "eines der Fundamente der Verfolgung von Computerverbrechen" bezeichnet. Allein diese technischen Daten könnten Kriminalbeamte auf die Spur von Cybergangstern oder zur Quelle eines Verbrechens führen. Sie seien daher der "unverzichtbare Startpunkt jeder Ermittlung im Bereich der Informationstechnologie". Ebenfalls erforderlich sei es, "dass eine Lösung für die mit den verschiedenen Formen der Anonymität im World Wide Web verbundenen Probleme gefunden werden". Als Beispiel nennt das Papier Internetcafés, die bereits in vielen Fällen für Betrügereien genutzt worden seien. Das Beispiel Bombay könnte einen Weg zeigen, wie derartige Verbrechen verhindert werden können: In der indischen Großstadt soll das Surfen in öffentlichen Internetcafés bald nur noch mit Ausweis möglich sein (Ausweise für Internetcafes).

In einer ersten Reaktion zeigte sich Andy Müller-Maguhn, Sprecher des Chaos Computer Clubs im Gespräch mit Telepolis "irritiert von der anhaltenden Ignoranz" des Enfopol-Gremiums gegenüber Datenschutzaspekten. Harald Summa, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Internet-Wirtschaft eco hält die Planung angesichts der anfallenden Speichermengen für "vollkommen unmöglich". (Stefan Krempl)

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