Spende aus dem Stall

In Deutschland hoffen rund 10000 Menschen auf ein neues Organ. Die meisten warten vergebens. Könnten Organe von Schweinen sie retten? Nun stehen erste klinischen Studien bevor.

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Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) erhielt 2017 nur etwa jeder zweite Leberkranke auf der Warteliste für Organspenden die Chance auf ein neues Leben.

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Edda Grabar

Statistik kennt keine Schicksale. Sie weiß nichts von der Angst und dem Leid der Menschen, deren Krankheiten sie abbildet. Sie kennt auch Mark Freche nicht, den nur 48 Jahre jungen Ehemann und Vater dreier Kinder, von denen das jüngste erst wenige Wochen alt ist. Er ist Teil einer besonders tragischen Statistik: Freche braucht eine neue Leber, denn sein Immunsystem greift das lebenswichtige Organ an und zerstört es Stück für Stück. Wenn Freche, der eigentlich anders heißt, in den Spiegel schaut, blickt ihm oft ein gelbes Gesicht entgegen. Die Ärzte bekommen seine zerstörerischen Leberentzündungen nicht in den Griff. Ob er angesichts des Mangels an Spenderorganen jemals eine neue Leber erhält, ist ebenso ungewiss wie die Chance vieler anderer Patienten auf ein neues Herz, eine neue Niere oder Bauchspeicheldrüse.

Es sei denn, die Idee mit Ersatzorganen aus Schweinen klappt. Jahrzehntelang haben Forscher nach Wegen gesucht, tierische Organe so weit zu vermenschlichen, dass sie transplantiert werden können. Speziell für den Ersatz gezüchtet, sollen sie zunächst einfachere Organe wie Herzen, Nieren und Teilorgane wie insulinproduzierende Bauchspeicheldrüsenzellen für Diabetiker liefern. Später dann, so die Hoffnung, könnten auch komplexere Organe wie Lebern und komplette Bauchspeicheldrüsen möglich werden. In der Medizin spricht man von Xenotransplantationen. Nach mehreren Rückschlägen kamen sie fast zum Erliegen. Nun aber sind klinische Studien näher als je zuvor. Und so ist die Geschichte nicht nur die eines Durchbruchs, sondern auch eine darüber, sich nicht unterkriegen zu lassen.

Der Anlass für den Optimismus steht friedlich grunzend in einem Stall bei München. „Typische Vertreter der ‚Deutschen Landrasse‘“, sagt Eckhard Wolf, Schweinezüchter der besonderen Art und Leiter des Lehrstuhls für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Seine Ferkel haben es vor wenigen Monaten zu einiger wissenschaftlicher Berühmtheit gebracht. Die Herzen von fünf ihrer einstigen Stallgenossen schlugen drei Monate, im längsten Fall sogar sechs Monate in Pavianen. So lange hatte es noch kein fremdes Herz in einem Primaten durchgehalten.

Entsprechend einhellig bejubelte die Welt der Xeno-Forscher die Veröffentlichung im Fachmagazin „Nature“. „Ich denke, es ist eine extrem wichtige Arbeit. Sechs Monate sind ein enormer Sprung nach vorn“, bestätigt David Sachs vom Columbia University Medical Center in New York. Der Immunologe hatte vor mehr als 15 Jahren den bis dahin größten Durchbruch der Xenotransplantation erreicht: Er konnte die schlimmste Abwehrreaktion des menschlichen Körpers auf tierisches Gewebe reduzieren. Zuvor waren sämtliche Versuche innerhalb weniger Stunden gescheitert.

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