Borophen – ein neues Wundermaterial?

Eine Einzelschicht aus Bor-Atomen sorgt für Begeisterung bei Chemikern und Physikern. Das Material könnte Lithium-Ionen-Akkus verbessern, als Sensor dienen oder auch Wasserstoff speichern.

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Borophen – ein neues Wundermaterial?

(Bild: Jurii / wikimedia commons)

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Vor noch gar nicht langer Zeit galt Graphen als das Material der Zukunft. Die superrobuste, nur ein Atom dicke Schicht aus Kohlenstoff-"Maschendraht" kann für Röhren, Bälle oder andere Formen verwendet werden. Und weil das Material Strom leitet, sprachen Materialwissenschaftler schon von einer neuen Zeit der Computer auf Graphen-Basis. Die EU investierte eine Milliarde Euro, um eine Graphen-Industrie in Gang zu bringen.

Die schöne neue Graphen-Welt lässt noch auf sich warten. Aber sie hat Interesse an anderen zweidimensionalen Materialien geweckt. Das spannendste darunter ist Borophen: eine einzelne Schicht von Bor-Atomen, die unterschiedliche kristalline Strukturen bilden.

Der Grund für die Aufregung darum ist die enorm große Bandbreite an Anwendungen, für die sich Borophen eignen könnte. Elektrochemiker hoffen, dass es zum Anodenmaterial in einer neuen Generation von leistungsfähigeren Lithium-Ionen-Batterien werden könnte. Chemiker sind angetan von seinen katalytischen Fähigkeiten. Und Physiker testen seine Eignung für Sensoren zur Entdeckung vieler Arten von Atomen und Molekülen.

In einem Fachaufsatz haben Zhi-Qiang Wang an der Xiamen University in China und Kollegen jetzt die bemerkenswerten Eigenschaften und möglichen Anwendungen von Borophen zusammengefasst.

Die Geschichte des Materials ist erst kurz. Physiker sagten seine Existenz erstmals in den 1990er Jahren auf der Grundlage von Computer-Simulationen voraus. Synthetisiert wurde es aber erst 2015 mit Hilfe von chemischer Gasphasenabscheidung, einem Prozess, bei dem heißes Gas aus Bor-Atomen auf einer kühlen Oberfläche aus reinem Silber kondensiert.

Die regelmäßige Anordnung der Silberatome zwingt das Bor in ein ähnliches Muster, wobei sich jedes Atom an bis zu sechs andere Atome bindet und eine flache sechseckige Struktur entsteht. Ein großer Teil der Bor-Atome geht allerdings nur Bindungen mit vier oder fünf Atomen ein, sodass Lücken in der Struktur verbleiben. Genau dieses Lückenmuster gibt Borophen-Kristallen ihre besonderen Eigenschaften.

Seit der ersten Synthese von Borophen haben Chemiker eifrig seine Eigenschaften erkundet. Wie sich zeigte, ist es stabiler als Graphen und gleichzeitig flexibler. Es leitet Strom und Wärme und kann auch supraleitend sein. Die Eigenschaften unterscheiden sich abhängig von der Ausrichtung des Materials und der Anordnung der Lücken. Dies macht es "einstellbar", zumindest grundsätzlich – einer der Gründe dafür, dass Chemiker so begeistert sind.

Zugleich ist Borophen leicht und reaktionsfreudig, was es zu einem guten Kandidaten für die Speicherung von Metall-Ionen in Batterien macht. "Borophen ist aufgrund theoretisch hoher spezifischer Kapazitäten, exzellenter elektrischer Leitfähigkeit und herausragender Eigenschaften beim Ionen-Transport ein viel versprechendes Anodenmaterial für Li-, Na- und Mg-Ionen-Batterien", schreiben Wang und Kollegen.

Auch Wasserstoff-Atome verbinden sich leicht mit der Ein-Schicht-Struktur von Borophen, und diese Adsorptionsfähigkeit macht Borophen, zusammen mit seiner riesigen Oberfläche, zu einem interessanten Material für die Speicherung. Nach theoretischen Untersuchungen könnte es mehr als 15 Prozent seines Gewichts an Wasserstoff speichern, was deutlich mehr ist als bei anderen Materialien.

Außerdem ist Borophen in der Lage, als Katalysator für die Zerlegung von molekularem Wasserstoff in Wasserstoff-Ionen und von Wasser in Wasserstoff- und Sauerstoff-Ionen zu wirken. "Eine herausragende katalytische Leistung von Borophen wurde festgestellt bei der Wasserstoff-Entwicklungsreaktion, der Sauerstoff-Reduktionsreaktion, der Sauerstoff-Entwicklungsreaktion und der elektrochemischen CO2-Reduktionsreaktion", schreiben die Forscher. Dies könnte ein neues Zeitalter von wasserbasierten Energiezyklen einläuten.

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Allerdings haben Chemiker noch einiges zu tun, bis Borophen wirklich breit eingesetzt werden kann. Zunächst einmal müssen sie Möglichkeiten finden, um es in großen Mengen herzustellen. Zudem bedeutet die Reaktionsfreude des Materials, dass es anfällig für Oxidation ist, weshalb es sorgfältig geschützt werden muss. Beide Faktoren machen Borophen teuer zu produzieren und zu handhaben. Trotzdem sind Chemiker voller Hoffnung, dass es das nächste Wundermaterial für unsere Welt wird.

[Update 18.04.19 9:49 Uhr:] In einer früheren Version dieses Artikels wurde die englische Schreibweise von Bor, Boron, verwendet. Wir haben dies korrigiert.

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