Zurück ins Leben?

US-Wissenschaftler gaben toten Schweinegehirnen wieder ein Hauch von Leben. Was unheimlich klingt, ist ein entscheidendes Werkzeug für die Erforschung des Hirntodes.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Zurück ins Leben?

(Bild: Media News / Brain Wallpaper / Flickr cc-by-2.0)

Lesezeit: 4 Min.

Passender zu Ostern kann eine Forschungsmeldung kaum sein: Zum Fest der Auferstehung zeigen Wissenschaftler der US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH), dass es möglich ist, den Verfall eines bereits toten Gehirns einige Stunden aufzuhalten und ihm für kurze Zeit zumindest einen Anschein von Leben einzuhauchen.

Das Gehirn ist das empfindlichste Organ des Organismus und wird es von der Sauerstoffversorgung abgeschnitten – etwa bei Herz-Kreislauf-Versagen – trägt es innerhalb kürzester Zeit schwerste Schäden davon. Das Gehirn besteht aus vielen unterschiedlichen Zelltypen, seine Funktion bestimmen jedoch die Nervenzellen. Sie feuern mit elektrischen Impulsen die Informationen durch den Körper, benötigen sehr viel Sauerstoff und sterben bereits Minuten nach dem Abbruch der Sauerstoffzufuhr ab. Ihre Funktion entscheidet nach unseren gesellschaftlichen Kriterien über Leben und Tod. Nach dem Eintritt des Todes zerfällt das Gehirn innerhalb von Stunden.

Im Wissenschaftsmagazin "Nature" beschreiben die Forscher um den Mediziner Nedan Sestan von der Yale University, nun, wie sie diesen Prozess aufgehalten und zum Teil sogar wieder rückgängig gemacht haben. Dazu haben sie Gehirne mehrerer geschlachteter Schweine isoliert und vier Stunden nach dem Tod der Tiere in ihren Laboren an ein System angeschlossen, das sie BrainEx nennen – Ex für ex vivo, nach dem Leben. Dieses System durchpumpte die chirurgisch präparierten Gehirne sechs Stunden lang mit einem speziell entwickelten Blutersatz, der Sauerstoff und den Nährstoff Glukose transportiert. So gelang es ihnen, zelluläre Aktivität in den Gehirnen wiederherzustellen, das Absterben von Zellen zu verlangsamen, die Zellarchitektur zu erhalten und den Stoffwechsel des Gehirns zu reaktivieren. "Analysen des Blutersatzes zeigen, dass die isolierten Gehirne Sauerstoff und Energie in Form von Glucose verbrauchten und Kohlendioxid abgaben", berichtet Sestan anlässlich der Veröffentlichung der Studie.

Um eine Wiederbelebung toter Gehirne handele es sich jedoch nicht. In einzelnen isolierten Gewebeschnitten konnten Neuronen zwar durch elektrische Impulse zum Feuern angeregt werden. "Aber wir haben zu keinem Zeitpunkt generelle Gehirnaktivität, sondern nur zellulär aktive Gehirne." Allerdings genehmigte die Ethikkommission die Versuche nur mit der Auflage, dass Substanzen im Blutersatz die elektrischen Hirnströme unterbinden. "Eine generelle Hirnaktivität herzustellen war nie unser Ziel und das kann die Technologie auch nicht leisten", so Sestan. "Wir wissen auch nicht, wie wir sie wiederherstellen könnten."

Mit Perfusionssystemen wie BrainEx geht es daher nicht darum, die klinischen Grenzen zwischen Leben und Tod zu verschieben oder gar längst Verstorbene, die beispielsweise frühzeitig für eine Konservierung ihrer Gehirne gesorgt haben, wieder ins Leben zurück zu spülen. Um Hilfe für den Patienten mit Herz-Kreislaufstillstand geht es dennoch: Das System soll ein wissenschaftliches Werkzeug sein, mit dem die Forscher die Zone zwischen Leben und Tod des Gehirns verstehen wollen.

Mehr Infos

Durch den Erhalt der zellulären Funktionen bekommen Forscher Zeit, die Vorgänge beim Hirntod zu studieren und Therapien zu erproben, bevor ihnen das Gehirn buchstäblich durch die Hände rinnt. "Ein solches System in Zukunft als Forschungsmodell zu nutzen, wäre ein sehr mächtiges Experimentalsystem. Mich würde beispielsweise am ehesten interessieren, was an Hirnfunktion entdeckt werden kann, wenn die Zeitspanne nach dem Tod bis zur ‚Wiederbelebung‘ verkürzt wird", sagt Bernd Böttiger, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Rates für Wiederbelebung, und Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Uniklinik Köln. "Man könnte so erforschen, bis zu welchem Zeitpunkt eine globale Hirnfunktion wiederhergestellt werden kann."

(rot)