Roboter soll Interesse an Religion wiedererwecken

Im Kodaiji-Tempel von Kyoto leitet ein Automat namens Mindar die Andacht für die Mönche.

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Roboter soll Interesse an Religion wiedererwecken

(Bild: Photo by Peter Hershey on Unsplash)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Äußerlich erinnert der androgyne Android an die erbarmungslose Cyborg-Königin aus der "Star Trek"-Serie. Tatsächlich aber könnte der Gegensatz nicht größer sein: Der Roboter namens Mindar soll Kannon Bodhisattva darstellen, die buddhistische Göttin des Mitgefühls. Anfang Mai hielt Mindar im altehrwürdigen Kodaiji-Tempel in Kyoto vor Mönchen und Journalisten die erste Predigt über die Herz-Sutra, eine zentrale religiöse Schrift der buddhistischen Lehre.

Dabei beantwortete die Maschine auch Fragen, die ihr Menschen per an die Wand projizierten Videos stellten. Die englischen und deutschen Übersetzungen ihrer Antworten wurden ebenfalls an die Wand gebeamt. Mindars Mission: bei jungen Menschen wieder mehr Interesse für den Buddhismus zu wecken.

Die Idee stammte vom Tempel-Verwalter Tensho Goto. Er sicherte sich die Hilfe des renommierten Roboterforschers Hiroshi Ishiguro sowie von Kohei Ogawa, Professor für Intelligente Robotik an der Osaka Universität. Sie hielten Gesicht und Gestalt des Roboters bewusst androgyn, damit jeder selbst entscheiden kann, ob er einen Mann oder eine Frau sehen will. Während Kopf und Hände durch eine Kunsthaut relativ natürlich wirken, wurden die weiteren Maschinenteile bewusst nicht in einem Gehäuse versteckt.

Mindars Beine bestehen aus einem unbeweglichen Metallsockel, doch ihren Oberkörper bewegt sie bemerkenswert natürlich. Das Zusammenspiel von Gestik und Mimik stimmt, sie blinzelt sogar. Mit einer Kamera im linken Auge erkennt Mindar Besucher und kann ihnen auf diese Weise das Gefühl von Augenkontakt geben.

Zwar seien nicht alle Mönche von Gotos Projekt begeistert, das etwa 800.000 Euro gekostet hat, schreibt das Online-Magazin "The Diplomat". Trotzdem fanden sich genug Unterstützer, die an der öffentlichen Zeremonie mit Gesang, rituellen Verbeugungen, Trommeln und Glocken teilnahmen. Ogawa findet die Personifizierung durch einen Roboter auch deshalb passend, weil die Mönche auf viele Tempelgänger bei der Rezitation der Texte ohnehin sehr mechanisch wirkten. "Sie diskutieren die wahre Bedeutung der Herz-Sutra nicht, sondern lesen sie einfach vor", sagte er gegenüber "The Diplomat".

Mindar soll noch bis zum 8. Mai zu besichtigen sein, danach wollen die Forscher die Erfahrungen auswerten und eventuell Updates vornehmen. In Zukunft könnte die Roboter-Göttin zum Beispiel Interaktionen nicht nur imitieren, sondern tatsächlich mit den Besuchern interagieren und nicht nur programmierte Fragen beantworten.

(bsc)