Landbesitzer: Millionengewinn dank CO2-Ausgleich

In Kalifornien kommt das "Cap and Trade"-Programm nicht in Gang – stattdessen scheinen die Falschen zu verdienen.

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Landbesitzer: Millionengewinn dank CO2-Ausgleich

(Bild: Unsplash / Mildly Useful)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • James Temple
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Ein kalifornisches Programm, dass eigentlich die Abgabe von Klimagasen reduzieren soll, hat Landbesitzern in den USA Hunderte Millionen Dollar in die Kassen gespült – und zwar ohne dass es tatsächlich zu einer CO2-Reduzierung gekommen wäre.

Die sogenannten Carbon Offset Credits gingen an Projekte, die ihre Klimagasverringerung um bis zu 80 Millionen Tonnen CO2 zu hoch angegeben haben sollen. Das ist eine gigantische Zahl: Es handelt sich um ein Drittel der im Rahmen des Emissionsrechtehandels ("Cap and Trade") des Bundesstaates für das kommende Jahrzehnt erwarteten CO2-Einsparungen. Das geht aus einer Analyse hervor, die die University of California in Berkeley erstellt hat.

Die Ergebnisse stellen die Effektivität des gesamten Emissionsrechtehandels in Kalifornien in Frage, was weltweite Bedeutung hat. Es handelt sich um einen der wichtigsten Versuche mit dem marktbasierten Instrument auf der gesamten Erde, wie Experten sagen. Mit dem 2013 eingeführten Mechanismus sollen die Klimarisiken abgefedert werden. Er ist zentrales Element des Versuchs des Bundesstaates, die CO2-Emissionen signifikant zu senken. Fast 40 Prozent der Gesamtreduktion sollen über "Cap and Trade" erreicht werden.

"Wenn diese Zahlen korrekt sind, dann sorgt eine substanzielle Komponente des Programms nicht für eine echte Emissionsreduzierung", kommentiert Danny Cullenward, ein Forscher an der Carnegie Institution und Mitglied in einem Ausschuss des kalifornischen Umweltministeriums, das die Auswirkungen von "Cap and Trade" untersuchen soll.

Der Handel erlaubt Holzfirmen, Indianerstämmen und anderen privaten Landbesitzern, Emissionsrechte an Klimasünder zu verkaufen – im Austausch lassen sie Bäume wachsen oder unternehmen andere Schritte, die Klimagase in der Atmosphäre absorbieren sollen. Bislang wurden an Waldwirtschaftsprojekte mehr als 122 Millionen Emissionsrechte vergeben ("Credits"), die mehr als eine Milliarde US-Dollar wert waren.

Doch mehr als 80 Prozent dieser Credits, die das kalifornische Air Resources Board (ARB) an drei Dutzend Unternehmungen ausgegeben hat, die kürzlich untersucht wurden, "repräsentieren keine echten Emissionsreduzierungen", so Barbara Haya, Research Fellow am Center for Environmental Public Policy, die das System seit Jahren untersucht und kritisiert.

Im Rahmen von "Cap and Trade" setzt die Regierung eine Grenze, wie viel Klimagase die von der Politik abgedeckte Industrie insgesamt abgeben darf. Diese "Cap" reduziert sich mit der Zeit. Firmen können dann Emissionsrechte kaufen und verkaufen ("Trade"), um entsprechend viel CO2 in die Atmosphäre zu entlassen (oder eben nicht). So soll, hoffen sich die Planer, ein echter Markt und ein echter Preis für die Klimaverschmutzung ergeben.

Es gibt allerdings noch eine zweite Option: Sie können Reche von besagten "Offset"-Projekten erwerben, die auf verschiedene Arten CO2 aus der Atmosphäre holen (sollen). Dabei werden unterschiedliche Standards angesetzt, welche Projekte erlaubt sind – und auch die Kontrollmechanismen variieren stark.

Das ARB generiert laut Protokoll, das die Berkeley-Forscher untersucht haben, rund 80 Prozent seiner Zusatzcredits über Waldwirtschaftsprojekte. Dabei können Landbesitzer diese verkaufen, wenn sie beispielsweise Bäume nicht schlagen, weil dies die Menge an CO2 erhöht, die diese speichern. Problematischer ist aber etwas anderes: Credits gibt es auch, wenn die Forstfirmen ihr Geschäft einfach wie gehabt weiter betreiben. Dieses "Business as usual" muss nur an die jeweilige Waldart und die Region angepasst sein und die Unternehmen müssen sich verpflichten, dies über die nächsten 100 Jahre zu tun – fertig.

Das Hauptargument für die Offsets ist, dass sie dem Markt erlauben, günstige Wege zu finden, Emissionen zu reduzieren – und Sektoren außerhalb der Industrie einzubinden, die dann ihren CO2-Fußabdruck ebenfalls verbessern. Doch die entsprechende Buchhaltung ist nicht leicht.

Wenn Holzfirmen zwar auf einem Stück Land keine Bäume mehr schlagen, dafür aber auf einer anderen Parzelle die Fällmaschinen anrücken lassen, hilft das dem Klima nichts. "Leckagen" nennen Experten das.

In Kalifornien erwartet man laut Protokoll immerhin 20 Prozent, doch Hayas Analyse zufolge sind es eher bis zu 80 Prozent. Ein damit verbundenes Problem liegt darin, dass die Industrie, die den Landbesitzern ihre Credits abkauft, schließlich mehr CO2 abgeben dürfen, als dies laut Ziel des Bundesstaates möglich sein dürfte. Im Gegenzug müssen sie sich verpflichten, eine CO2-Sequestrierung (auf welche Art auch immer) über die nächsten 100 Jahre durchzuführen.

Das führt zu leicht erkennbaren Problemen, da die Emissionsreduzierungen nicht erst in 100 Jahren, sondern spätestens in den nächsten 30 erfolgen müssen, wenn nicht die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels drohen sollen.

Haya argumentiert weiter, dass die versprochenen Reduzierungen überhaupt nicht erfolgen. So wird es zunehmend schwieriger für Wälder, CO2 zu speichern, je älter sie werden. Klimaeffekte treten auf, es kommt zu Waldbränden. Hinzu kommen verschiedene komplizierte Berechnungsmethoden, die nahelegen, dass die zusätzlichen Fällaktivitäten der Firmen, die das Programm ausgelöst hat, in den kommenden Jahren für wenige Waldfläche sorgen.

Auch stellt sich die Frage, was die Forstunternehmer überhaupt wollen. Womöglich hatten sie gar nicht geplant, einen Waldbereich zu fällen – und sie erhalten trotzdem Credits dafür. Damit Offset-Ansätze funktionieren, müssen Aktionen durch den Markt ausgelöst werden und nicht durch Untätigkeit.

"Aus einer technischen und administrativen Perspektive ist die Schaffung effektiver Offsetsysteme extrem schwer, weil es an einer verlässlich zu messenden Nulllinie fehlt", so David Victor, Energiepolitikforscher an der University of California in San Diego, der solche Systeme untersucht hat. Außerdem seien die politischen Mechanismen oft einseitig. "Es gibt großen Druck, überschüssige Emissionsrechte zu generieren – von Leuten, die beweisen wollen, dass der Markt liquide ist, von Projektentwicklern, die ihre Credits maximieren wollen und von Käufern, die aus Compliance-Gründen agieren."

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2017 publizierten Stanford-Forscher ein Paper, in dem sie zeigten, dass das Offset-System in Kalifornien Emissionen grundsätzlich reduziere. Das galt als Ehrenzeichen. Damals kam heraus, dass rund 64 Prozent der Projekte, die Credits für ein "verbessertes Waldmanagement" erhielten, zuvor oder zum Projektstart aktiv gefällt hatten.

Merkwürdig war dabei allerdings, so zumindest Kritiker, dass ein Viertel der Projekte von Nonprofits aus dem Naturschutzbereich stammten, was Fragen aufwirft, wie viel CO2 hier wirklich zusätzlich gespeichert wurde. Schließlich interessieren die sich wenig für Holzwirtschaft und viel für Bestandserhalt.

Haya betont, dass sie nicht glaubt, dass Landbesitzer das Gesetz brechen. Stattdessen sorgten die Regeln dafür, dass es ein "falsches Crediting" gebe. Die Waldbesitzer spielten da schlicht mit.

Beim ARB verteidigt man sein Vorgehen. Man setze die besten Methoden gegen Leakage ein und rechne mit den besten wissenschaftlichen Methoden. Rajinder Sahota, stellvertretende Abteilungsleiterin, meint, dass das Programm wirtschaftliche Anreize für Landbesitzer gibt, ihre Bäume stehen zu lassen.

Das Protokoll will man in diesem Jahr dennoch erneut anfassen und sich dann Input neuer Studien und universitärer Experten holen. Auch der US Forestry Service darf Tipps geben.

(bsc)