Cyberwars -- von der Realität eingeholt

Ohne Beteiligung von palästinensischer Seite ging die Veranstaltung "Cyberwar between Israel & Palestine" zu Ende.

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Von
  • Detlef Borchers

Ohne Beteiligung von palästinensischer Seite ging die Veranstaltung Cyberwar between Israel & Palestine zu Ende, die vom Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität München und dem Hubert Burda Center for Innovative Communications an der Ben Gurion Unsiversity von Beer Sheva durchgeführt wurde. Elias Zanneri, stellvertretender Direktor des Institutes für Israel-Studien aus dem palästinensischen Ramallah bekam von den israelischen Behörden kein Visum und war daher der Konferenz in München nur über eine störungsanfällige Telefonleitung zugeschaltet.

Auf der Konferenz präsentierten so drei israelische Kommunikations-Wissenschaftler ihre Forschungen zum Cyberwar im Nahen Osten. Dov Shinar vom Hubert Burda Center stellte die verschiedenen Formen des palästinensischen Einsatzes der neuen Netzmedien vor. Er unterschied zwischen Aktivismus, dem Bereitstellen von Links zur eIntifada wie "Al-Aqsa Intifada" unter dem virtuellen Schutz des palästinensischen Büros für Statistik, dem Hacktivismus von Sites wie Arab Hackers und dem Cyber-Terrorismus etwa der Hamas, die zur Zerstörung (nicht nur) der DV-Infrastruktur aufruft. Schon die Tatsache, dass die Hamas-Site oft zu pornografischen Angeboten verzweigt, wenn israelische Hacker aktiv sind, zeigte den Teilnehmern der Konferenz, dass es Cyberwar gibt. Shinars Vorstellung endete in einer pessimistischen Absage an Nicholas Negropontes Vision in "Being Digital", nach der das das nationale Denken verschwinden wird.

Vermittelnde Web-Angebote wie www.MEVIC.org ließen Shinar dennoch hoffen. Vorsichtig kritisierte er israelische Medien, die die Taten 14-jähriger Skript-Kiddies zu Helden im Kampf gegen die Palästinenser aufbauschen. Dan Caspi analsysierte das Chat-Verhalten von Al Bawaba, wo Israelis und Palästinenser sowie weltweit verstreute Interessierte diskutieren. Auch sein Fazit fiel nicht rosig aus: Gegenüber den regelmäßig auflaufenden Flame Wars bleibe ein wirkliches Bemühen um Verständigung in der Minderheit. Die Kommunikationswissenschaftlerin Tamar Liebes zeigte in ihrer Analyse des Diskurses des israelischen und palästinensischen Fernsehens, wie Stereotype produziert werden, die dann im Cyberspace und in Computerspielen wie dem arabischen "Stone Thrower" auftauchen. Illusionslos sprach sie von einer "Yellowisation" des Cyberspace im Cyberwar.

Die deutsche Seite legte auf der Konferenz einen anderen Gang ein. Nicht der Größtenteils von individuellen Aktionen getragene Cyberwar zwischen Palästinensern und Israelis stand im Mittelpunkt, sondern der mit allen Mitteln geführte militärische und nachrichtentechnische Cyberwar. Christiane Schulzki-Haddouti zeigte, wie der Begriff des Cyberwar Ende der 80er-Jahre entstand und vor allem in den USA fortlaufend verfeinert wurde. Von einfachen Attacken auf Websites bis hin zu den Versuchen, geheime Konten von Osama Bin Laden zu knacken, reichte ihre historische Darstellung. Frank Lesiak vom Bundesnachrichtendienst (BND) beschäftigte sich vor allem mit der Frage, wann eine Attacke dem Cyberwar zugerechnet werden kann und wann es sich nur um "einfaches" Cybercrime handelt. Diese knifflige Frage spielt für den BND darum eine große Rolle, weil er vom Auftrag her nur beim Cyber- oder Infowar tätig werden soll. Lesiaks Definition des Cybercrime war sehr umfassend, selbst die in vielen Softwareprogramen eingebauten Easter Eggs zählten für ihn schon zu den potenziell kriminellen Attacken.

Mangels Beteiligung der palästinensischen Seite fiel Abschlussdiskussion der Konferenz eher unbefriedigend aus, zumal die israelischen Teilnehmer nur Vermutungen darüber abgeben wollten, wie ihre Regierung den Cyberwar betreibt. Ursprünglich war die Cyberwar-Konferenz als Fortsetzung der Burda-Reihe Cool People in the Hot Desert geplant und sollte heuer in Syrien stattfinden. Durch die Absage vieler israelischer Vertreter kam München ins Spiel. Dort hielten sich hartnäckig Gerüchte, dass die Palästinenser ihre Teilnahme an der Konferenz von einer Stiftungsprofessur für einen plästinensischen Wissenschaftler abhängig machen wollten. An der Ben Gurion University finanziert das Hubert Burda Center drei Lehrstühle. (Detlef Borchers) / (jk)