Zahlen, bitte! 5, oder die Wirklichkeit von Karl Koch

Vor 30 Jahren endeten die Ereignisse um den KGB-Hack für den Hacker Karl Koch tragisch. Seine Geschichte umfasst auch eine Faszination für bestimmte Zahlen.

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Zahlen, bitte! 5 oder die Wirklichkeit von Karl Koch
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Von
  • Detlef Borchers

Vor 30 Jahren zog der Hacker Karl Koch alias Hagbard Celine zum letzten Mal um. Er arbeitete als Fahrer für die niedersächsische CDU und zog in ein düsteres, sehr spießig möbliertes Souterrain-Zimmer in Hannover Herrenhausen, mit einem Badezimmer am Ende eines dunklen Flures. "Ich frage mich, ob er das Gefühl hatte, dass ihn jetzt alle abgeschoben haben, endgültig", erinnerte sich später sein Freund Freke Over, der Koch beim Umzug half. Wenige Tage später war Karl Koch tot, gestorben am 23. oder 24. Mai. Er hatte sich mit Benzin übergossen und angezündet, so ermittelte es die Kriminalpolizei.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Karl Koch ist das bedauernswerte Opfer des KGB-Hacks, der vor 30 Jahren für internationale Schlagzeilen sorgte. Er gehörte zu einer Gruppe jugendlicher Hacker, die in fremde Rechnernetze eindrangen und im Cyberspace, über den er sich viele Gedanken machte, ihren Spaß hatten. Aus dem Spaß wurde Ernst, als man begann, Fundstücke der Datenreisen an den russischen Geheimdienst KGB zu verkaufen. Aus dem Ernst erwuchs ein tödliches Drama, als schließlich Medien begannen, aus den Hacks die morbide Faszination von Geheimdiensten schrill übersteuernd zur Nachricht zu machen.

Prompt war vom "größten Spionagefall der Welt seit Guillaume" die Rede und der drogenabhängige Karl Koch, der Anfang 1989 beim Verfassungsschutz aussagte, hatte größte Probleme, sich in diesem Gedröhne zurechtzufinden. In dem Nachruf des Chaos Computer Clubs, betitelt "Heute nichts neues – Das Alte ist traurig genug" kommt die verfahrene Situation vor 30 Jahren zum Ausdruck, in der sich Karl Koch damals befand – der freilich sämtliche Hilfsangebote des CCC ablehnte, wie sein Freund Freke Over beteuerte:

"'Jetzt hat ihn die Wirklichkeit wieder', beschrieb der SPIEGEL mit voller Namensnennung Karl Koch und seine Vorstellungswelt. Besonders wirklich und wirksam war der danach von Karl Koch zu lebende Widerspruch zwischen ihm als geheimer und öffentlicher Person. Nach den Verhören, wo er "alles" sagen und fortan geheim halten sollte, kamen die Forderungen der Medienwirklichkeit über ihn. Jetzt hat ihn die Wirklichkeit nicht mehr. Wir sind traurig."

Doch in der Wirklichkeit war Karl Koch viel früher abgebogen, unter anderem durch den Drogenkonsum, mit dem er die Erbschaft seines Vaters vernichtete. Frühzeitig wurde er von der Trilogie Illuminatus! beeinflusst, aus der er seinen Hacker-Handle Hagbard Celine entlehnte. Empfänglich war er auch für all die Theorien, die sich rund um die historisch verbürgten Aufklärer der Illuminaten in Ingolstadt und die Zahl 23 entwickelten. "Alle großen Anarchisten starben am 23 des einen oder anderen Monats."

Wenn man die Quersumme aus 23 bildet, ist die höchst mystische 5 ein Ergebnis, das Wahrsager wie Astrologen, UFO-Logen und Hacker gleichermaßen erschauern lässt: als V ist das glänzende Vanadium das 23. Element in unsrem Ordnungsmodell, benannt nach der Vanitas, der Nichtigkeit aller Wirklichkeit. (mho)