Studie vor Europawahl: Viel mehr Nachrichten als Fake News in sozialen Netzen

Vor den Europawahlen gab es viele Warnungen vor Fake News in sozialen Netzen. Eine Studie der Universität Oxford gibt nun Entwarnung.

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Studie: Viel mehr Nachrichten als Fake News vor Europawahl in sozialen Netzen

(Bild: LoboStudioHamburg)

Lesezeit: 3 Min.

Vor der Europawahl verbreiten Twitter-Nutzer in englischer, französischer, deutscher, italienischer, spanischer und schwedischer Sprache unter den verbreitetsten Hashtags deutlich mehr Inhalte von etablierten Medien als Desinformation beziehungsweise Propaganda. Lediglich in polnischer Sprache wurden in einem Zeitraum von zwei Wochen im April mehr Links auf Portale mit sogenannten "Junk News" (etwa "Mist-Nachrichten") geteilt als solche zu klassischen Medien.

Zu diesem Ergebnis kommen Forscher der Universität Oxford, die analysiert haben, welche Basis die verbreitete Warnung vor Desinformation hat. Demnach stehen auch hinter fast keiner der untersuchten Fake News russische Hintermänner, die meisten bedienen demnach rechte oder rechtsextreme Themen.

Für ihre Analyse haben die Forscher fast 600.000 Tweets analysiert, die sich auf die anstehende Europawahl beziehen und von insgesamt fast 188.000 Twitter-Accounts veröffentlicht wurden. Mehr als 137.000 der Tweets enthielten demnach eine URL, die auf eine von insgesamt 5774 Quellen verwies. Erschien eine Quelle dabei mehr als fünf Mal, sei sie klassifiziert und in die Analyse aufgenommen worden, erklären die Forscher. Auf diese Weise haben sie die fünf erfolgreichsten klassischen Medien und die fünf erfolgreichsten Quellen für "Junk News" ermittelt. Darunter fassen sie Seiten, die verschiedenste "Propaganda, ideologisch extreme, hyper-parteiische oder verschwörungstheoretische" Inhalte verbreiten.

"Junk News" vs. "professionelle Nachrichten"

(Bild: Oxford Internet Institute)

Mit diesen Daten haben die Forscher dann ermittelt, wie oft klassische Medien auf Twitter verlinkt wurden und wie oft die Propaganda-Portale. In sechs der sieben untersuchten Sprachen hatten die etablierten Medien dabei einen deutlichen Vorsprung – in Deutschland führten etwa 28,1 Prozent der URLs zu Medien und nur 2,8 Prozent auf solche Desinformation. In englischen, spanischen und französischen Tweets war der Abstand demnach noch größer. Lediglich in polnischer Sprache führten 21 Prozent der Links auf Fake News und nur 13 Prozent auf klassische Medien. Links auf professionelle politische Quellen, andere politische Nachrichten und soziale Medien waren in allen Sprachen teilweise aber noch deutlich häufiger.

Untersucht haben die Forscher neben Twitter auch Facebook und dabei festgestellt, dass die klassischen Medien deutlich mehr Inhalte veröffentlichen und allein dadurch schon viel mehr Nutzer erreichen, als die als Desinformations-Portale klassifizierten Quellen. Die würden mit einzelnen Beiträgen aber jeweils teilweise deutlich mehr Nutzer erreichen. Teilweise kommen die "Junk News" im Schnitt auf vier (in englischer Sprache) oder sogar sechs Mal (in deutscher Sprache) so viele Interaktionen wie Beiträge etablierter Medien. Aber insgesamt blieben letztere trotzdem in Führung. Die Verbreitung von Fake News sei also im Vorfeld der Europawahl minimal.

Mit Twitter haben sich die Forscher aber auf eine Plattform konzentriert, die vor allem in Deutschland kein soziales Medium der breiten Masse ist. Viele Journalisten sind auf Twitter besonders aktiv und dürften auch viele Links zu klassischen Medien verbreiten. Wenn "Junk News" dagegen auf Facebook eingestellt würde, würden Menschen es noch immer teilen und bewerben, ohne es angesehen zu haben, schreiben die Forscher. Das sei ein Grund zur Sorge, vor allem wenn damit Einfluss auf politische Entscheidungsfindungen geübt werde. Wer in Echtzeit beobachten möchte, was die Forscher meinen, kann ihren "Junk News Aggregator" angucken, der solche Links sammelt und verfolgt. (mho)