Wann kommen Laufroboter in der richtigen Welt?

Prototypen für Laufroboter gibt es viele. Doch eignen sie sich schon jetzt für den produktiven Einsatz? Besonders die Industrie zeigt Interesse.

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Robotik-Konferenz ICRA: Wann kommen Laufroboter in der richtigen Welt?

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
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Die Science-Fiction hat es schon immer gewusst: Ein ordentlicher Roboter bewegt sich nicht auf Rädern oder Ketten, sondern läuft. Das ist insbesondere in unebenem Gelände von Vorteil, stellt aber einige Herausforderungen an Hardware und Software. In Montréal hat sich jetzt ein Workshop mit den Fragen der Fortbewegung auf Beinen beschäftigt.

Im Anschluss an die Robotik-Konferenz ICRA (International Conference on Robotics and Automation) trafen sich Forscher, um darüber zu diskutieren, wie Laufroboter aus dem Labor in der richtigen Welt zum Einsatz kommen können. Ein Video auf der Homepage des Workshops gab einen kleinen Vorgeschmack, wozu die Vier- und Zweibeiner unter Laborbedingungen heute schon in der Lage sind.

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Bei Firmen ist das Interesse an den Laufmaschinen groß: So hat Airbus etwa zusammen mit dem französischen Forschungsinstitut CNRS das Labor ROB4FAM eingerichtet, um die Technik voranzubringen. Klassische Industrieroboter seien für die Montage von Flugzeugen nicht geeignet, erklärte Philippe Souères (CNRS). Fortbewegung und Manipulation mit vielfältigen Kontaktpunkten würfen aber Kontrollprobleme auf, die in dem Labor angegangen werden sollen.

Um die Dimensionen des Problems zu reduzieren, greifen die Forscher auf Überlegungen aus dem Projekt Gepetto zurück. Demnach wird die Erzeugung von Bewegungen in eine Abfolge mehrerer Schritte von der Planung bis zur Ausführung unterteilt, die mit unterschiedlichen zeitlichen Auflösungen von einem Hertz bis zu zwei Kilohertz realisiert werden. Ein weiterer Ansatz ist es, Bewegungsabläufe zu erinnern und an neue Umgebungen anzupassen. Das wird in dem Projekt Memmo untersucht, wo unter dem Titel Crocoddyl eine Bibliothek zur Roboterkontrolle angelegt wurde.

Airbus arbeitet auch mit dem japanischen Roboter HRP, dessen neueste Version HRP-5P 183 Zentimeter groß ist und 101 Kilogramm schwer. Der Roboter ist für schwere Arbeiten gedacht. Rafael Cisneros und Mehdi Benallegue vom japanischen Forschungsinstitut AIST beriefen sich auf eine Marktanalyse, die den Einsatz in großen Fabriken als das aussichtsreichste Anwendungsszenario ergeben hätte. Sie illustrierten das mit einem Video, in dem HRP-5P Spanplatten trägt und an einem Holzgerüst befestigt.

Die für die Bewegungssteuerung erforderliche Rechenzeit bezifferten die Forscher mit 60 Mikrosekunden, meinten aber wahrscheinlich Millisekunden. Derzeit werde daran gearbeitet, bei der Bewegungskontrolle nicht nur die Positionen der Gelenke und Glieder, sondern auch die Drehmomente zu berücksichtigen. In der Simulation ist der Roboter bereits zu beeindruckenden Aktionen fähig: Es war zu sehen, wie er einen Handstand vollführte, auf einen Tisch kletterte und über unebenen Boden lief. Die Forscher seien auch mit Baufirmen in Kontakt, dürften deren Namen aber nicht nennen, sagten Cisneros und Benallegue.

Das Klettern kann sich der vierbeinige Roboter Cheetah-3 sparen: Er springt einfach auf den Tisch. Der am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelte Roboter ist in seiner neuesten Version mit einem umkehrbaren Knie ausgestattet, was ihn sehr beweglich macht. Sangbae Kim, Leiter des Projekts, erläuterte, es sei die Philosophie der Forscher am MIT, die Bandbreite bei der Bewegungssteuerung wichtiger zu nehmen als die Genauigkeit. Fehler ließen sich durch Schnelligkeit ausgleichen. Die erforderliche Rechenzeit gab er mit 80 Millisekunden an. Bei der kleineren Version Mini-Cheetah gebe es wegen des geringeren Gewichts von neun Kilogramm mehr Probleme mit rutschenden Füßen, sagte Kim. Das Leichtgewicht könne Stürze aber problemlos verkraften.

Cheetah gehört zweifellos zu den Stars der Laufroboter. Der am Italian Institute of Technology (IIT) entwickelte Vierbeiner HyQReal muss sich hinter dem US-amerikanischen Kollegen aber nicht verstecken: Kurz vor dem Workshop veröffentlichten die italienischen Forscher ein Video, in dem der hydraulisch betriebene Roboter ein 3.300 Kilogramm schweres Flugzeug zieht. Die dazu erforderliche Kraft gab Claudio Semini (IIT) mit 800 Newton an. Der Roboter selbst wiegt 130 kg, ist 90 cm hoch,130 cm lang und 67 cm breit. Die Beine seien unempfindlich gegen Wasser und Staub, sagte Semini. Als nächstes soll der Roboter mit einem elektrischen Arm ausgestattet werden. Außerdem soll er sich besser an weichen Untergrund anpassen können.

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Die Technologie sei eine Sache, es brauche aber auch einen Geschäftsplan, sagte Jonathan Hurst von der Oregon State University, der die Firma Agility Robotics mit gegründet hat. Seine Ausführungen dazu boten allerdings wenig Neues: Man müsse die vorhandene Infrastruktur nutzen und sich an den Bedürfnissen der Kunden orientieren. Im ersten Quartal des kommenden Jahres will Agility den zweibeinigen Roboter Cassie auf den Markt bringen. Den originellen Geschäftsplan illustrierte er mit einem Werbevideo des Autoherstellers Ford: Zusammen mit autonomen Fahrzeugen soll Cassie alias Digit die Auslieferung von Paketen bis zur Haustür komplett automatisieren. Ob das in weniger als einem Jahr so stolperfrei und zuverlässig funktionieren kann, wie im Video dargestellt, darf bezweifelt werden.

Oder ist das zu viel Skepsis? Das Laufverhalten von Cassie sieht im Video durchaus beeindruckend aus. Aaron D. Ames (CalTech), der mit dem Roboter gearbeitet hat, war davon ebenfalls angetan. In einem Video zeigte er zwar, wie Cassie über Baumwurzeln stolperte. Auf Nachfrage sagte er aber, dass der Roboter danach gleich weiterlaufen konnte. Er brauchte allerdings menschliche Hilfe, um wieder aufzustehen.

Kevin Blankespoor, der mit der Firma Boston Dynamics so etwas wie den Superstar in diesem Gebiet vertrat, hält die laufenden Roboter auch für reif, den Schritt in die Produktwelt zu wagen. Der Vierbeiner Spot könne zum Beispiel Karten und Innenansichten von Baustellen, Ölbohrplattformen oder Bergwerken erstellen. Der Nutzer könne dann Punkte auf der Karte anklicken und sich ähnlich wie bei Google Street View Ansichten von der jeweiligen Stelle aufrufen.

Der zweibeinige Roboter Handle hat Räder statt Füße, mit denen er sogar Treppen hinunterfahren kann, weil die nachgiebigen Beine die Stöße abfedern. Handle soll in Lagerhallen Pakete transportieren und kann dafür Vakuumgreifer nutzen oder auch Greifer, die wie ein Gabelstapler unter die Kisten geschoben werden. Schnelligkeit und Effizienz der Bewegungen sehen im Video recht überzeugend aus.

Unter dem Titel "Rapid Behaviour Authoring" werde bei Boston Dynamics daran gearbeitet, die Zeit für das Programmieren komplexer Bewegungen drastisch zu verkürzen, sagte Blankespoor. Das lässt vermuten, dass es vielleicht doch eher Jahre als Jahrzehnte dauern wird, bis Laufroboter den menschlichen Alltag erobern. (olb)