Digitale Gängelung
Mein Smartphone und ich haben eigentlich eine innige Beziehung. Doch am Wochenende zeigte sich ein Tiefpunkt.
Keine Frage: Ich mag mein Smartphone. Nehme es überall mit hin. Notiere darin alles mögliche. Texten, fotografieren, posten – der Triathlon des Web. Ginge es mal verloren, ich wäre aufgeschmissen. Keine Telefonnummer wüsste ich, Geburtstage und ja, auch so manches Passwort wäre weg. Daher pflegen mein Smartphone und ich eine innige Beziehung. Aber wie in jeder guten Beziehung gibt es auch mal Tiefpunkte. Was in bei der Mensch-Mensch-Partnerschaft vielleicht die berüchtigte offene Zahnpastatube ist, findet in der Mensch-Telefon-Beziehung ebenfalls sein Äquivalent.
Das musste ich am Wochenende feststellen. Auf dem Display poppte eine Nachricht von Xperia Assist auf: Halten Sie Ordnung auf Ihrem Telefon. Ich war ja einiges gewohnt von meinem treuen Wegbegleiter: Infos zur Batteriepflege (tatsächlich ganz nützlich) oder penetrante Informationen aus der App "What‘s new", die mich nie interessiert haben. Aber dieser Aufruf zur Ordnung ließ mich doch einen Moment innehalten. Es fehlte eigentlich nur das Ausrufezeichen. In meinem Kopf sprach der Imperativ zu allem Überfluss mit der Stimme meiner Mutter: Ich war wieder 14, doch statt meines Zimmers sollte ich meinen Speicherplatz aufräumen. "Sie scheinen zum Beispiel Pinterst lange nicht verwendet zu haben. App entfernen?"
Bei der TR haben wir schon das ein oder andere Mal über die Gouvernanten geschrieben, die sich mit der Digitalisierung in unser Leben geschlichen haben – und es uns vermeintlich erleichtern und/oder sicherer machen wollen. Nun habe ich es mit der Pop-up-Nachricht selbst erfahren müssen und bin einigermaßen genervt ob dieser Gegängelung. Was kommt als nächstes? "Ihr Musikordner enthält nicht alle Queen-Alben. Vervollständigen Sie die Diskografie." oder "Sie haben zahlreiche nichtssagende Fotos in Ihrer Galerie. Ein Ästhetik-Check wäre gut." Nein, danke.
Kleinlaut muss ich jetzt aber eingestehen, dass sicher diese oder jene App auf dem Smartphone vielleicht schon etwas Staub angesetzt hat. Aber wer weiß, vielleicht kommt schon morgen der Moment, in dem ich dringend Ideen für ein hübsch dekoriertes Hochzeitsgeschenk benötige. Da wäre Pinterst nämlich ideal. Schon mal daran gedacht, liebes Telefon?
(jle)
