Peking interessiert sich für KI-Ethik

China hat neue Richtlinien für den Einsatz Künstlicher Intelligenz beschlossen. Aber warum?

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Peking interessiert sich für KI-Ethik

(Bild: MS. TECH)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Will Knight
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Können sich China und die Vereinigten Staaten plötzlich bei einer Sache auf eine gemeinsame Linie einigen? Ende Mai veröffentlichten chinesische Forscher und Ingenieure einen neuen "Code of Ethics" für den Einsatz von KI. Es sieht nach einem Zeichen aus, dass Peking plant, zumindest zu überdenken, wie das Land die potenziell problematische Technik verwenden will.

Bislang wird China stark dafür kritisiert, dass das Reich der Mitte Künstliche Intelligenz unter anderem dafür einsetzt, Teile seiner Bürgerschaft zu überwachen. In den nun veröffentlichten KI-Richtlinien werden jedoch ethische Leitplanken gesetzt, die erstaunlich nahe an dem liegen, was westliche Firmen und Regierungen erarbeitet haben.

Die sogenannten Pekinger KI-Prinzipien, die die Beijing Academy of Artificial Intelligence (BAAI) erarbeitet hat, hinter der wiederum das chinesische Ministerium für Wissenschaft und Technik sowie die Pekinger Stadtregierung stehen, sollen möglichst universell gelten. Sie enthalten unter anderem die Forderung, dass Forschung und Entwicklung im KI-Bereich so ablaufen müsse, dass "menschliche Privatsphäre, Würde, Freiheit, Autonomie und Rechte ausreichend respektiert" werden.

Auch wenn es einfach wäre, die Erwähnung von Privatsphäre und individueller Freiheit als heuchlerisch abzutun, demonstriert sie doch, dass die chinesische Politik eine überraschende Gesprächsbereitschaft zu diesen Themen zu zeigen scheint.

"Es ist tatsächlich eine ziemlich gute Entwicklung", meint Yasheng Huang, ein Experte für chinesische Wirtschaft und Politik an der Sloan Business School des MIT. "Bei Dingen wie den Menschenrechten ist es immer schön zu sehen, wenn die chinesische Regierung den Vereinigten Staaten Gesprächsmöglichkeiten bietet."

Die Ethikrichtlinien entstanden in Zusammenarbeit mit einigen der bekanntesten und wichtigsten technischen Organisationen und Firmen, die in China an KI arbeiten, darunter Peking University, Tsinghua University, das Institute of Automation und das Institute of Computing Technology innerhalb der chinesischen Akademie der Wissenschaften. Die großen drei Internetfirmen des Landes, Baidu, Alibaba und Tencent, waren auch dabei.

"Die Entwicklung von KI ist eine gemeinsame Herausforderung für die Menschheit. Nur durch eine globale Koordinierung können wie Systeme bauen, die sowohl der Menschheit als auch der Natur dienen", kommentierte BAAI-Direktor Zeng Yi gegenüber der Parteizeitung "People's Daily". Die Pekinger KI-Prinzipien spiegelten die Rolle des Landes wider, die Vision und den Willen, einen Dialog innerhalb der internationalen Gemeinschaft aufzunehmen.

Wir befinden uns derzeit an einem kritischen Moment in den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China – und das betrifft insbesondere auch neuartige Techniken. Die Trump-Regierung in Washington zeigt sich alarmiert, wenn es um den Fortschritt Pekings in Sachen KI und 5G-Funktechnik geht. Die Hebel des globalen Handels werden verwendet, um gegenzusteuern – was auch dazu führt, dass so manche Firma ausgebremst wird. Der Telekommunikationsriese Huawei bekommt das besonders zu spüren, Import- und Export-Kontrollen bedrohen sein Geschäft.

Es wird Misstrauen und Spaltung gesät, meinen Kritiker, was die Technikwelt trennen könnte – und es passt nicht zu einer Ära der Globalisierung, in der wirtschaftliche Offenheit die Voraussetzung ist.

Die US-Regierung plant außerdem Exportkontrollen auf chinesische Überwachungstechnik. Hersteller wie Hikvision oder Dahua Technology könnten betroffen sein, die der chinesischen Regierung nahestehen und dabei geholfen haben sollen, das eigene Volk zu überwachen.

Huang meint, da KI ethische Fragestellungen hervorruft, biete die Debatte eine Chance, dass die USA und China zum Thema persönliche Freiheit ins Gespräch kommen. Er glaube, es sei ungewöhnlich, dass es in solchen Bereichen zu Flexibilität komme. "Das Wichtigste ist, dass durch die Beschreibung der Probleme eine Einräumung erfolgt, dass hier nicht alles zu 100 Prozent kontrolliert werden kann." Das sei in dieser politischen Kultur eine "große Sache", so Huang.

Trotz des andauernden Handelskrieges versuchen einige westliche Experten, Brücken zu bauen. Vor kurzem gab so das Weltwirtschaftsforum seine eigenen KI-Prinzipien bekannt, die in Zusammenarbeit mit Forschern, Firmenchefs und Politikern aus den USA, China und anderen Ländern entstanden sind. Einer der Teilnehmer des dazu eingerichteten Expertenrats ist Kai-Fu Lee, ein bekannter KI-Investor mit Basis in Peking, der zuvor sowohl Microsoft als auch Google geholfen hatte, in China Fuß zu fassen. Lee zufolge ähneln die chinesischen Prinzipien denen aus der westlichen Welt. "Das macht uns ziemlich optimistisch."

(bsc)